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Gründe für die Auswahl des Motivs

Der Blick durchs Netz

 


Veronese: Die Dialektik (Ausschnitt).

 


 

     
 

Die römische Rhetorik betonte, daß das kunstvolle Geflecht einer Rede erst dann seine Wirkung entfalten kann, wenn es sich dem Gedächtnis eingeprägt hat. Die Ars Memorativa soll den Redner in die Lage versetzen, alle Einzelheiten seines Vortrags so prompt und lückenlos abzurufen, als seien sie ihm im Verlauf des Sprechens ganz spontan eingefallen.

Während die antike Rhetorik immerhin noch das eigene Gedächtnis übte, verlassen wir uns längst auf externe Speicher, was unsere Erinnerungsfähigkeit tendentiell verkümmern läßt. Diese Externalisierungstendenz beginnt aber bereits mit der rhetorischen Gedächtniskunst: Ihr Prinzip der Einprägung – die topographische Anordnung von Vorstellungsbildern als Repsäentanten der Memorabilia – mortifiziert den lebendigen Situationszusammenhang, in dem das Erinnern als produktives Vermögen spontan zur Geltung kommen könnte. Das Problem ist den klassischen Rhetoriklehrbüchern durchaus eingeschrieben: Sie halten zu einem Lesen zwischen den Zeilen an, um imaginative Freiräume in ihren Memorialbauten zu eröffnen.

Und Veronese griff just dieses Plädoyer für Leerstellen auf, wenn er etwa vor der Inquisition aussagte, wo "in einem Gemälde Platz frei" sei, "bereichere" er es "mit weiteren Figuren gemäß der Heiligen Schrift".

So sehe ich die Dialektik der Netze auch heute darin, daß diese nur dann verfangen, d.h. fruchtbare Momente der Einbildungskraft zulassen, wenn sie als lückenhaft erfahren werden: Die Redekunst auf Veroneses Gemälde schaut durch die Maschen des Netzes hindurch in den Himmel, dabei ist ihre linke Hand nach oben hin geöffnet – ikonographisch eine klassische Haltung der Empfänglichkeit für höhere Eingebungen. Auch die Vernetzung im Zeitalter technischer Medien darf nicht dazu führen, daß der Blick durch die Maschen von der Illusion lückenloser Informationsdarbietung verstellt wird.

An diese alte Lehre im neuen Medium zu erinnern, ist die Absicht, die mich bewogen hat, das Gewebe auf Veroneses Gemälde als Monitorausschnitt zum Logo dieser Web-Site zu machen.