Peter Matussek

Berauschende Geräusche.

Akustische Trancetechniken im Medienwechsel

 


Erschienen in: Hiepko, Andreas / Stopka, Katja (Hg.): Rauschen. Seine Phänomenologie zwischen Sinn und Störung; Würzburg 2001, S. 225–240.

 




"In einem glänzenden Beitrag geht schließlich Peter Matussek der musikalischen Induzierung individueller und kollektiver Räusche durch die ekstatisch repetitiven Geräusche tribaler und/oder popmusikalischer Provenienz auf den Grund."
Musik und Ästhetik

     
 

Daß Geräusche Räusche herbeiführen können, beobachtet die Menschheit seit je; die Äquivokation ist keineswegs zufällig. Mit dem experimentellen Nachweis des Phänomens indessen tut sich die heutige Labor- und Feldforschung schwer. Die Probanden der Siliziumzeit sind offenbar allzusehr daran gewöhnt, akustische Reize mehr mit dem Intellekt denn mit den Eingeweiden aufzunehmen. Rauschen irritiert unsere nachrichtentechnisch konditionierten Sinne – selbst in der Informationstheorie sorgt es für Verwirrung darüber, ob man sein anderes nun, mit Shannon und Weaver, als mit ihm konvergierende Entropie oder, mit Brillouin und Flusser, als Negentropie bezeichnen und dessen Formel mit oder ohne negatives Vorzeichen anschreiben soll.[1] Gleichviel: Das „Grundrauschen“ des Daseins bleibt in seiner existentialontologischen[2] wie biologischen Variante[3] vom Abendländer meist unerhört; er kennt es normalerweise nur als Störfaktor seiner symbolischen Ordnungen, nicht als Erlebnispotential. Darum beneidet er gelegentlich das Tier.

 


Klangstimulation im Kuhstall

 

Ob diesem tatsächlich eine größere Nähe zum Urlaut vergönnt ist, muß bezweifelt werden. Eher dürfte das animalische Hören vollauf damit beschäftigt sein, aus den Geräuschkulissen der Umwelt die überlebenswichtigen Signale auszufiltern. Gerade deshalb aber reagiert es auf Schallwellen unmittelbarer somatisch als das unsere; es hat sozusagen den geringeren Rauschabstand. Diesbezüglich wird das Tier vom Menschen denn auch oft befragt. So führte erst unlängst die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen einen Versuch mit 180 Kühen durch, um mehr über die physiologischen Effekte unterschiedlicher Klänge zu erfahren: Für jeweils einen Tag wurden die Rinderohren mit einem anderen Lied beschallt; den abendlichen Milchertrag verglich man mit einem Kontrolltag, an dem es still blieb im Stall. Das Ergebnis: „Tatsächlich gaben die Kühe bei Mozarts Kleiner Nachtmusik 0,6 Prozent mehr Milch, und auch Guildo Horns Schlager regte die Drüsen an. Bei der Punkmusik der Toten Hosen (Hier kommt Alex) verringerte sich der Milchfluß. Auf Volksmusik standen die Rinder überhaupt nicht: Hörten sie Herzilein von den Wildecker Herzbuben, gaben sie 2,5 Prozent weniger Milch als am Kontrolltag.“[4]

Obwohl also die Nordrhein-Westfälischen Kühe immerhin einen besseren Musikgeschmack als der deutsche Durchschnittshörer haben, dürfen wir doch davon ausgehen, daß sie musiksoziologisch unverbildet sind – sie vernehmen farbiges Rauschen statt kompositorischer Arrangements. So gehören sie jenem regressiven Typ des Hörens an, den selbst Adorno nicht ohne Sympathie dem vorhistorischen Bewußtsein konzedierte – einem Hörtyp, für den „Musik zugleich die unvermittelte Kundgabe des Triebes und die Instanz zu dessen Sänftigung darstellt“.[5] Was könnte dies eindringlicher signalisieren als die Vermehrung der Milchproduktion und die unwillkürliche Hingabe des Produzierten im dissoziativen Behagen – passende Klangeinwirkung vorausgesetzt.

Wie aber verhält es sich beim Menschen? Ist die vor allem in den sogenannten Naturvölkern beobachtbare Trancewirkung der Musik der Effekt eines präsemiotischen Reaktionsmusters? Oder sind hier gerade umgekehrt Techniken der Klangeinwirkung im Spiel, die nur aufgrund kulturhistorischer Vermittlungen zustande kommen?

 

Ethnologen gegen Physiologen

 

In der einschlägigen Literatur stehen sich zwei Positionen dichotomisch gegenüber.[6] Die eine ist maßgeblich von dem Ethnologen Gilbert Rouget geprägt. Sie geht davon aus, daß „das Verhältnis von Musik und Trance in keiner Weise durch bestimmte Strukturmerkmale oder Klangeigenschaften der Musik und offenbar auch nicht durch irgendwelche korrelierenden physiologischen Mechanismen bestimmt ist“, daß also „die Musik nicht aus sich heraus, sondern aufgrund zugeordneter, erlernter Bedeutungen ihre tranceauslösende Wirkung entfaltet“.[7] Diesen kulturalistischen Befund bestreiten auf der anderen Seite Musikpsychologen und -physiologen, die mit unterschiedlichsten Versuchsanordnungen und Meßverfahren den Nachweis führen möchten, daß Töne auch ohne erlernte Bedeutungen – ja gerade durch deren Suspension – das vegetative Nervensystem ansprechen.

Beide Positionen haben nicht zuletzt ökonomische Konsequenzen. Die Soundindustrie wittert in der einen wie der anderen Sichtweise auf das Phänomen ihre Chancen zum Absatz von rauschinduzierenden Klangstoffen. Dabei stützen „Muzak“-Produzenten ihre Vermarktungsinteressen offenbar ebenso wie die nordrhein-westfälische Milchwirtschaft auf die naturalistische These, indem sie das Verhalten von menschlichem Konsumvieh in Supermärkten durch hypnotisierendes Gedudel spendierfreudig zu stimmen verheißen. Der Sirenengesang der funktionellen Musik – Branchenwerbung: Lockruf der Cantata 700 – zielt subliminal auf sympathikomimetische Reaktionen, die der zivilisatorischen Affektkontrolle entzogen sind.[8] Die informationsentleerten Klanginstallationen, so wird behauptet, versetzen Kunden in Kaufrausch und erhöhen die Verweildauer in SB-Restaurants; ein animalisches Behagen – man weiß nicht wie – verbessert das Klima im Großraumbüro und ersetzt die Spritze beim Zahnarzt.[9] Wer sich lieber gleich selbst behandelt, wählt aus einem Massenangebot an „Healing Music“[10] sein individuell abgestimmtes Phono-Pharmakon. Die Hersteller der akustischen Hormonstimulatoren sehen in traditionellen Trancekulturen bestenfalls den Rohstoff ihrer Klangdestillate. Erst recht befreit von ethnologischem Ballast sind die computergesteuerten Rhythmen der „Mind Machines“,[11] die unmittelbar den Gehirnstrom auf Hypnosespannung heruntertransformieren.

Vollends zur synthetischen Droge aber wird Musik in der Verabreichungsform von Techno und seinen Derivaten. Auch diesem Geräuschtyp wird eine transkulturelle Rauschwirkung zugesprochen, und seine mehr oder weniger gleichförmige globale Verbreitung scheint das zu bestätigen. Trance-Techno-Freunde aus aller Welt waren sich beim jüngsten Meeting im Berliner Haus der Kulturen ungeachtet der Diversifikation ihrer regionalen Stile offenbar darin einig, daß eine S-Bahnfahrt zum nächsten Club-Event die anstrengende Reise zu den letzten sibirischen Schamanen durchaus ersetzen könne. „‚Technoshamanism‘“, berichtete die FAZ, „ist bereits zum Kultwort geworden.“[12] In der DJ-Szene kursiert das Kultwort freilich seit Jahren, so daß es eigentlich schon wieder out ist.[13] Doch weiterhin profitiert etwa Sven Väth von seinem alten Nimbus als „Digitalschamane“,[14]   und nicht wenige seiner Amtsbrüder und -schwestern sehen sich auch heute noch einen zeremoniellen Dienst verrichten, der den magisch-ekstatischen Praktiken der Naturvölker gleichkommt.

Dieses Selbstverständnis ließe sich freilich auch als Beleg für die kulturalistische Gegenposition anführen: Beruht die Trance-Wirkung von Techno nicht gerade darauf, daß diese Musik in ein multimediales Setting eingelassen ist, das strukturelle Analogien zu schamanistischen Ritualen aufweist? In der Tat: Unter der spirituellen Reiseleitung des DJ wird die Ravergemeinde mit akustisch-optisch-atmosphärisch präzise abgestimmten Schlüsselreizen zum kollektiven Seelenritt angehalten; das heilige Instrument ist hier wie dort die Trommel, „der große Bumbum“,[15] der offenbar nicht kultursemiotisch indifferent ist, da er nur diejenigen in andere Zustände versetzt, die an seine Allmacht glauben mögen, während Uneingeweihte sich genervt abwenden.

Die allmählich aus der Mode kommenden Techno-Trancen, die derzeit einem hellwachen 2Step-Sound das Klangfeld räumen, waren der bisherige Höhepunkt der zyklischen Konjunkturen akustischer Rauschinduktion, deren vorletzte in Nazideutschland abgefeiert wurde und deren letzte in den sechziger Jahren mit der psychedelischen Elektronik-Musik begann. Diese fand in Titeln wie Trance Dance,[16] Das dritte Ohr,[17] oder Die magische Trommel[18] ihre eklektizistischen Universalmythen. Ethnologisches Hobbywissen sorgte im Verein mit westlicher Technik für eine Popularisierung von „Out-of-Body-Experiences“, die sonst dem Geheimwissen der Schamanen vorbehalten waren. Für einen neuen Aufschwung elektronisch geregelter Ekstasen könnte das Team um den Neurologen Vilayanur Ramachandran an der University of California in San Diego sorgen: Es will eine Region im Schläfenlappen des Großhirns gefunden haben, die für mystische Erlebnisse zuständig ist – das sogenannte „God Module“, das auf Überstimulation mit religiöser Verzückung reagiert.[19] Traditionelle Kultpraktiken werden damit vollends zum kontingenten folkloristischen Beiwerk marginalisiert.

Ideologiekritiker erkennen darin das Symptom einer Dialektik der Aufklärung, die mit progredierender Technisierung um so regressionssüchtiger auf jenes mythische Bewußtsein zusteuert, von dem sie sich einst zu befreien suchte. So selbstvergessen wie die Erschließung des Neuen ist dann auch die Wiederbegegnung mit dem Alten. Hans Neuhoff moniert entsprechend an der jüngsten Trance-Renaissance, daß ihre „Unmittelbarkeit, die im Nichtbewußtsein der systematischen und historischen Zusammenhänge besteht“, dazu neigt, „gerade das zu verspielen, was man sich von der Begegnung mit anderen Bewußtseinsformen erhofft: Öffnung des Erfahrungsfeldes in archaisch-unbewußte Tiefen, Zugang zum ‚kollektiven Unbewußten‘ und damit Wiedergewinnung von verschüttet geglaubten Elementardispositionen menschlichen Bewußtseins überhaupt.“[20] Das Verdikt über die hedonistische Ausbeutung traditioneller Ekstasetechniken führt allerdings in ein Dilemma: Einerseits wird das erwähnte „Nichtbewußtsein der systematischen und historischen Zusammenhänge“ – als therapeutische Magie, Dämonenbesänftigung, Stammesinitiation usw. – dafür verantwortlich gemacht, daß der erhoffte Tiefgang ausbleibt; andererseits errichtet das geforderte Bewußtsein jener Zusammenhänge eine unüberwindbare Kulturbarriere: Der andere Zustand ist dann per definitionem immer nur der Zustand der anderen. Christian Kaden erkennt darin eine Abwehrstrategie, die dem Gehalt archaischer Ekstasetechniken, in deren Namen sie spricht, nicht gerecht werde. Den einschlägigen Traditionen nämlich sei die Mystifizierung von „altered states“ fremd. Diese seien allgemein zugänglich, ja gehörten zu unserem eigenen musikhistorischen Erbe, das aber weitgehend von Semiotisierungsstrategien überlagert worden sei.[21] Demnach stünde eine Ethnologie, die solche Zustände ausschließlich „fremden“ Kulturen vorbehält, dem intendierten Verständnis der Phänomene selbst im Wege.

Die Stichhaltigkeit dieses Einwands hängt freilich davon ab, ob sich nachweisen läßt, daß die akustische Tranceinduktion eine universal verfügbare Technik ist, die jenseits kulturspezifischer Determinanten, allein aufgrund physiologischer Faktoren also, ihre Wirkung tut.

Die Versuche, derartige Nachweise zu führen, sind zahlreich. Sie konzentrieren sich meist auf den Einsatz von Rhythmusinstrumenten. Denn die Trommel ist in allen Ekstasepraktiken das bevorzugte Vehikel, wenn es gilt, auf die Seelenreise zu gehen. Der Schamane löst sich unter dem Rhythmus der Trommel von seinem körperlichen Dasein, um eine verlorene Seele zurückzuholen oder Dämonen nachzustellen. Hinsichtlich dieses Motivs vom „Seelenritt“ gibt es offenbar interkulturelle Gemeinsamkeiten.[22] Wie sind diese Gemeinsamkeiten zu erklären?

Nicht wenige Forscher glauben, sie aus anthropologischen Grundgegebenheiten herleiten zu können. So beschrieb der schweizer Linguist Henri Alexandre Junod in einer Studie aus dem Jahr 1936 das Eintreten der Trance als Folge einer „hypnotischen Suggestion“ durch „ohrenbetäubendes Getöse“.[23] Melville Herskovits machte einige Jahre später einen „bedingten Reflex“ im Sinne Pawlows für die „altered states“ verantwortlich: Der Ekstatiker sei im Laufe einer langen Inititiation auf einen präzisen musikalischen Stimulus sensibilisiert worden, den er als Puls einer höheren Macht empfinde, und dem er sich spontan überlasse.[24] Besonders einflußreich wurde eine Arbeit des Neurophysiologen Andrew Neher aus dem Jahre 1962, in der die Trancewirkung mit sogenannten „driving“-Effekten von Rhythmen erklärt wird, die die Gehirnströme des Wachzustands unterlaufen und die darunterliegenden aktivieren. Neher stützt sich dabei im wesentlichen auf Laborversuche über neuro-elektrische Auswirkungen von rhythmischem Lichtflimmern im Frequenzbereich von Alpha-Wellen (also Schwingungen zwischen 8 und 13 Hertz). Seiner Beobachtung zufolge adaptiert sich das Gehirn im Laufe der Zeit an die Lichtfrequenz mit dem Effekt, daß diese gegenüber der Beta-Aktivität des Alltagsbewußtseins dominant wird.[25]

Auch aus der Hypnoseforschung ist belegt, daß die Fähigkeit, in Trance zu fallen, mit der Stärke der Alpha-Amplitude korreliert.[26] Mit zunehmender Vertiefung der Hypnose verschiebt sich die dominante Gehirnaktivität gar in den Schwingungsbereich von Theta-Amplituden (4 bis 8 Hz) – der eigentlich dem Schlafzustand entspricht, bei bewußtem Erleben jedoch mit einem ekstatischen Dissoziationsgefühl einhergehen kann.

Die von Neal E. Miller in den fünfziger Jahren durchgeführten und von Barry Sterman seit Ende der sechziger Jahre fortgesetzten Versuche zur elektroakustischen Manipulierbarkeit von Hirnstromfrequenzen per Neurofeedback könnten demnach als technologische Perfektionierung eines uralten Erfahrungswissens angesehen werden. Umgekehrt fühlten sich Musiker durch diese Experimente zu neuen Kompositionsverfahren inspiriert: Bereits 1965 ließ Alvin Lucier in Music For Solo Performer die eigenen Alphawellen Pauke spielen, indem er seinen Schädel mit Perkussions- und Resonanzinstrumenten kurzschloß. Diese „Extrapolation innerer Aktivität“ beschrieb er selbst als „extrem schönes Donnern“,[27] das zu innovativen Hörerlebnissen jenseits der habituellen Rezeptionsgewohnheiten führen sollte. Komponisten wie Richard Teitelbaum und David Rosenbloom führten diese Ansätze zur elektroakustischen Verstärkung und Beeinflussung von Gehirn- und Biorythmen weiter, lange bevor der Esoterikmarkt entdeckte, daß sich mit „Mind Machines“ und „BrainSync“[28] -Equipment gutes Geld verdienen läßt. Neuerdings stützt sich die physiologische Position in Forschung wie Kommerz auf eine weitere Hypothese über das Zustandekommen biorhythmischer Trance-Induktion: Sogenannte Womb-Sounds – die Körpergeräusche, die der Embryo während der Schwangerschaft zu hören bekommt, insbesondere Atmung, Herzschlag und Verdauung der Mutter – seien die anthropologische Ursache für eine allgemeinmenschliche Suggestibilität durch späteres Wiederhören ähnlicher Geräusche. Wenn es denn stimmt, daß das bereits im Alter von viereinhalb Monaten wahrgenommene „Klangerleben des Fetus in der aquatischen Welt des Uterus“[29] sich vom Erwachsenen als ozeanisches Gefühl erinnern ließe, dann würde das in der Tat auf eine transkulturelle Universalität akustischer Hypnotika hindeuten. Ethnologisch feststellbare Differenzen hinsichtlich der Trancefähigkeit verschiedener Kulturkreise erklären die Vertreter dieser Hypothese damit, daß die Anamnesis des pränatalen „Lebensgeräuschs“ vom Signalkonzert der Alltagswahrnehmung mehr oder weniger stark übertönt wird.[30]

Das Hauptargument, das die kulturalistische Position gegen die physiologischen Erklärungsansätze vorzubringen hat, ist schlicht der Verweis auf die Tatsache, daß Trance ebensogut ohne biorhythmische Stimulierung zustandekommen kann. Daraus folgert Rouget, daß auch in Zeremonien, in denen Trommeln verwendet werden, nicht diese selbst den anderen Zustand herbeiführen, sondern vielmehr die überlieferten Phantasien und Erzählungen, die sie begleiten – kulturelle Codes, in denen die Trancetänzer sich und ihre Gottheiten erkennen. Die Funktion der Musik besteht ihm zufolge allein darin, ein akustisch kommuniziertes „Bild“ der angenommenen Identität aufrechtzuerhalten.[31]

Daß inhaltliche Orientierungen bei der Wirkung von Rhythmen eine Rolle spielen, läßt sich im übrigen auch schon durch Laborexperimente verifizieren. In einer Untersuchung von Gerhard und Hildegund Harrer wurde fünf Versuchspersonen dieselbe Trommelmusik aus Uganda vorgespielt und dabei die Atemfrequenz der Hörer aufgezeichnet. Die Pneumogramme fielen extrem unterschiedlich aus: Die Probanden reagierten auf die Geräusche nicht nur in unterschiedlicher Intensität; auch die Erwartung, daß sich die Atmung mit erhöhtem Metrum beschleunigen und mit nachlassendem verringern würde, erfüllte sich nur bedingt. Das Gegenteil konnte ebenso beobachtet werden: Bei einem der Probanden verlangsamte sich der Atem paradoxerweise mit zunehmender Schlagzahl. Dies wird damit erklärt, daß ein intrinsischer Biorhythmus bei Überforderung durch einen extrinsischen Impulsgeber auf eine subharmonische Relation zwischen intrinsischem und extrinsischem Rhythmus umschaltet, etwa in einem Verhältnis von 1 : 2 oder 1 : 3. Während diese Hörer-Reaktion also noch ins biologistische Erklärungsmuster paßte, ließ sich die Atemkurve der fünften Versuchsperson nur noch kultursoziologisch erklären: Es handelte sich um eine ältere Frau, die Buschtrommeln schlicht scheußlich fand. Entsprechend zeigte ihr Atemrhythmus nicht die geringste Bereitschaft, sich auf das exotische Bumbum einzulassen.[32]

Zahllose Untersuchungen dieser Art münden variantenreich in die triviale Feststellung, daß nicht jeder mit jedem Rhythmus „mit muß“, und daß noch etwas hinzuzukommen hat, damit Musik trancefördernd wirkt. Was aber ist dieses etwas?

Die bisherige Entgegensetzung der physiologischen und der ethnologischen Position führt uns hier nicht weiter, da sie beiderseits ambivalente Ergebnisse produziert: Ein Effekt, der kulturbedingt zu sein scheint, kann auch von Individuen jenseits des jeweiligen Kulturkreises reproduziert werden; und ein Effekt, der rein physiologischer Natur zu sein scheint, läßt sich dennoch nicht bei allen Individuen beobachten, sondern bedarf einer offenbar kulturell bedingten Akzeptanzbereitschaft. So kommt es auch in streng traditionellen Trance-Ritualen regelmäßig vor, daß manche Medien einfach keinen guten Tag erwischen – und für ihre mißlingenden Simulationsversuche gehörig ausgelacht werden. Doch die Mimikry an die Erwartungen der Gruppe gehört selbst zu den probaten Techniken, in Trance zu fallen.[33]

Vieles spricht also dafür, die Dichotomie anthropologischer und kulturalistischer Ansätze aufzugeben und aufzuheben in einer kulturanthropologischen Genealogie, die das Zusammenspiel beider Faktoren entwicklungsgeschichtlich beschreibt. Schließlich hat die in der erwähnten Diskussion auftretende Entgegensetzung ihre Wurzeln in einer gemeinsamen Vorgeschichte, und diese wiederum wird uns nicht nur durch methodisch fragwürdige Außenbeobachtungen zuteil: In unserer eigenen Musiktradition finden wir die Frühformen einer Trancekultur, die im Prozeß der Entzauberung nicht vollständig abgeschafft wurde, sondern bis heute, in der Doppelgestalt technomorpher Klangexperimente einerseits und einer kompensatorischen Second-Hand-Esoterik andererseits, überdauerte. Diese Feststellung soll im folgenden am Leitfaden eines Zentralmotivs der abendländischen Musikgeschichte verifiziert werden: Ich werde das Phänomen berauschender Geräusche zunächst aus dem Orpheus-Mythos rekonstruieren, um vor diesem Hintergrund die Veränderungen zu problematisieren, die es unter den Bedingungen digitaler Medien erfährt.

 

Orpheus der Schamane

 

Nach der Darstellung Georg Lucks, der sich vor allem auf Eric Robertson Dodds bezieht, wurde die ekstatische Geheimlehre der alten Welt durch „drei große Schamanen“ geprägt: Durch Pythagoras, Empedokles und insbesondere Orpheus, den legendären ersten Sänger der Griechen, dessen mythische Herkunft auf die Musen selbst zurückgeht. Dieser wird schon im ersten Dokument, das seinen Namen erwähnt, einem Fragment von Simonides, als ein Musiker charakterisiert, der nicht nur Menschen, sondern die gesamte lebende und unbelebte Natur in seinen Bann zog.[34]

Eine reichhaltige ikonographische Tradition hat vor allem das Motiv der Wirkung seines Gesangs auf Tiere immer wieder ins Bild gesetzt.[35] Es zeigt an, daß der orphische Klang unmittelbar die Instinkte anspricht. Die Versuchsanordnung der Milchwirtschaft Nordrhein-Westfalen hat insofern ihren Vorläufer in der nordgriechischen Mythenbildung, die Orpheus zum ersten Klangphysiologen stilisiert. Wo seine Trance-Musik gehört wurde, entfaltete sie ihre Macht unterhalb der Kognitionsschwelle. Dies erklärt, warum ihr auch bewußtseinsbegabte Wesen wie Menschen und Götter nolens volens anheimfallen: Den Argonauten, sozusagen den ersten Objekten funktioneller Musik, verschafft sie beim Rudern ein leistungssteigerndes Betriebsklima, und Streit unter ihnen wird mehrfach erfolgreich mit hypnotisierendem Kitharaspiel geschlichtet, bis sie – ohne recht zu wissen, wie ihnen geschieht – sanft entschlummern.[36] Die Sirenen – selbst vom Fach und Vorläufer für den Lockruf der Cantata 700 – erhalten durch Orpheus überwältigende Konkurrenz und stürzen sich nach erfolglosem Gesangswettstreit vom Felsen – wofür Apollonius Rhodius die wenig schmeichelhafte Erklärung gibt, es habe daran gelegen, „daß ihnen […] die Ohren vom brausenden Spiele erdröhnten“.[37]

Auch die Herren der Unterwelt schließlich zeigen ein ungekanntes Erbarmen, als Orpheus ihnen vom Verlust seiner Eurydike singt; er klagt so bewegend, daß sie ihm die Schwelle zum Jenseits öffnen, wo er seiner Geliebten wiederbegegnet. Dieses Motiv[38] kann als mythische Umschreibung für das ek-statische Heraustreten aus den Bedingungen des körperlichen Daseins gedeutet werden, die sich nach Dodds aus dem schamanistischen Seelenritt herleitet: „Wie die Schamanen überall, unternimmt [Orpheus] eine Wanderung in die Unterwelt, und sein Motiv dabei ist unter Schmanenen sehr verbreitet: Er will eine geraubte Seele zurückholen.“[39]

Man wüßte natürlich gern, wie diese Musik geklungen hat, wenn sie die Griechen veranlassen konnte, ihr derart magische Kräfte zuzuschreiben.[40] Doch es gibt nur wenige Anhaltspunkte für eine entsprechende Rekonstruktion:

Die thrakische Herkunft des Orpheus deutet auf östliche Einflüsse, insbesondere der Phryger, die für die gesamte altgriechische Musik bestimmend gewesen sind.[41] Näheres können wir erst der jüngeren Tradition entnehmen, die den mythischen Sänger als Stifter der orphischen Mysterien beschreibt. Als solcher steht er im Zeichen des Dionysoskults, in dem Rhythmusinstrumente die musikalisch beherrschende Rolle spielten: insbesondere Krotala, Kymbala und Tympanon. Ob das dann so geklungen hat wie in den heutigen Nachempfindungen mit rekonstruierten Instrumenten,[42] ist mehr als fraglich.

Überdies ist der Gebrauch von Schlaginstrumenten auch nach griechischer Überlieferung keine notwendige Bedingung für die Herbeiführung ekstatischer Zustände durch Orpheus. Denn zur Bezugsfigur dionysischer Rituale wurde dieser erst, nachdem er es abgelehnt hatte, dem in Thrakien eingefallenen Gott des orgiastischen Rausches die Ehre zu erweisen und dafür zur Strafe von den thrakischen Mänaden zerrissen wurde.[43] Orpheus ist urspünglich Apolliniker. Als sein mythischer Vater gilt Apollon, der ihn mit dem Gebrauch von Saiteninstrumenten als Gesangsbegleitung vertraut macht: der Lyra und der kunstvolleren Kithara. Die entsprechenden Klänge auch nur annähernd rekonstruieren zu wollen, ist praktisch unmöglich. Auch die rudimentäre Musiknotation der Griechen hilft hier nicht weiter; entsprechend stark differieren die verschiedenen Versuche ihrer Umsetzung.[44]

So müssen wir uns an allgemeineren Beobachtungen orientieren, um der orphischen Klangwirkung auf die Spur zu kommen. Die bereits erwähnte Feststellung, daß der zur Kithara singende Orpheus einer älteren Überlieferungsschicht zuzuordnen ist als der mit Schlaginstrumenten konnotierte, findet eine Bestätigung durch die neuere Musikarchäologie. Ihr zufolge gehört der Gebrauch von Trommeln einer bereits hochartifizellen Entwicklungsstufe an, während die Klangcharakteristika von Gesang und Saitenspiel als urspünglicher anzusehen sind: Nach Curt Sachs steht am Anfang der menschlichen Musikentwicklung nicht der Rhythmus, sondern das Melos bzw. eine Vorform davon, sogenannte „tumbling strains“, die bei Naturvölkern in der Form von langgezogenen Schreien vorkommen.[45] So mag man annehmen, daß die orphischen Klagelaute die Eigenschaft hatten, an solche Urlaute zu erinnern, und daraus ihre Wirkungen ableiten.

Erinnerung ist in der Tat das zentrale Motiv der Orpheus-Überlieferung. Schließlich stammt der mythische Sänger als Sohn der Muse Kalliope in direkter Genealogie von Mnemosyne ab. Die Göttin der Erinnerung aber überträgt ihrem Enkel ein paradoxes Erbe: In ihrer ältesten Erwähnung überhaupt, bei Hesiod, heißt es, sie habe die Musen geboren, damit diese „Vergessenheit brächten der Leiden und Ende der Sorgen“.[46]   Mnemosyne bringt zuallererst Lesmosyne, und an dieser Paradoxie partizipiert ihr genuines Medium, die Musik. In der Tat oszillieren die Überlieferungen von Orpheus stets in diesem Sinne zwischen Erinnern und Vergessen. Diese Concidentia oppositorum erklärt sich daraus, daß die hypnotische Erinnerungskraft des Musensohns an die Voraussetzung gebunden ist, die Gedächtnisinhalte der Alltagswahrnehmung zunächst zu zerstreuen. Denn nur so können onto- wie phylogenetisch ältere Schichten des Daseins angesprochen werden. Daß sogar die Tiere zu Orpheus kommen, um ihm betört zu lauschen, signalisiert solches Erinnern von Prädeterminationen; „die Schlange“ etwa, heißt es bei Seneca, „flieht ihr Versteck, für einmal ihr Gift vergessend“.[47] Und wenn es Orpheus gelingt, den Argonauten Mut zu machen und Streit zwischen ihnen zu schlichten, indem er sie in Schlaf versetzt, dann beruht diese Hypnosewirkung ebenfalls darauf, daß Identitätsfixierungen dissoziiert und archaische Bedürfnisse nach Selbstauflösung reaktiviert werden. Wenn Orpheus schließlich die Hüter des Hades bezwingt mit seiner Klage um Eurydike, dann ist auch dies eine Form des Erinnerns, die das Befangensein in diesseitigen Orientierungen zugunsten einer Wiederbelebung des Vergangenen transzendiert.

Das Erinnerungspotential, das Orpheus von Mnemosyne geerbt hat und musikalisch aufschließt, hat also nicht im Vergessen seinen Gegensatz, sondern in einem Gedächtnis, das dieses Potential durch Fixierung stillstellt. Das Verbot des Umwendens zu Eurydike beim Weg aus dem Hades (das zwar erst bei Vergil erwähnt wird, aber eine Interpretation älterer Quellen von der die sichtbare Welt transzendierenden Kraft der Musik sein dürfte) bringt diesen Zusammenhang symbolisch zum Ausdruck. In Ovids Version der Geschichte heißt es explizit, daß Orpheus der Reanimation seiner Geliebten solange sicher sein kann, wie er der Versuchung widersteht, ihrer im Bild habhaft zu werden – „avidus“, also „gierig, habsüchtig“ ist das Attribut, mit dem Ovid den tabuisierten Blick charakterisiert.[48] Nur virtuell, als Schatten, hat das Erinnerungsbild Bestand.

Der Gegensatz der beiden Memorialfunktionen begegnet uns bereits bei Simonides von Keos, der ältesten Quelle über die Wirkung der Orpheus-Klänge. Simonides kennen wir heute fast nur noch als angeblichen Erfinder der Gedächtniskunst. Doch die Ambition des griechischen Lyrikers stand nicht im Zeichen der Mnemonik, sondern der Mnemosyne; sie zielte nicht auf Speicherung, sondern auf die Verlebendigung des Vergangenen im Trauergesang. Einer dieser Threnoi, die selbst nach Quintilians Urteil keiner so mitleidvoll intonieren konnte, wie Simonides, trägt den Titel Auf die Skopaden, und es läßt sich vermuten, daß er ihn verfaßt hat, nachdem die ihm befreundete Familie bei jenem Palasteinsturz ums Leben kam, den die römischen Rhetoriklehrbüchern stets nur als Anlaß zur Entdeckung der topographischen Methode erwähnen: „Sei, der du Mensch bist, nie der Meinung, daß du wissest, was morgen kommt,/ Noch, siehst du im Glück einen, wie lang er darin sein wird; denn/ So schnell ist das Fortschwirren selbst nicht der breitflügligen/ Fliege wie der Wechsel (des Glücks).“[49] Der Text spricht sehr gegen die Annahme, daß Simonides im Angesicht der Palastkatastrophe nichts anderes im Sinn gehabt haben soll als die stocknüchterne Beobachtung, daß die so grausam fixierte Sitzordnung ein gutes Merkmittel sei. Vom wandelbaren Geschick ist vielmehr die Rede, das im Herzen zu bewegen, nicht topologisch zu befestigen sei.

Um die Vergangenheit derart im Gefühl des Trauernden lebendig werden zu lassen, bedarf es nicht des Festhaltens äußerer Bilder, sondern der Auflösung des identifizierenden Speicherns von Eindrücken im amorphen Fluß des emotionalen Erlebens. Dazu paßt, daß dem Bericht verschiedener antiker Autoren zufolge die Gedächtnisstärke des Simonides aus dem Konsum von Drogen resultiere.[50] Sein bevorzugtes Rauschmittel aber scheint das musikalische Geräusch gewesen zu sein, wie seine Äußerung belegt, daß „Wein und Musik den gleichen Ursprung haben“.[51]

Wenn wir diese Befunde nun zurückbinden an unsere Frage nach dem Verhältnis von physiologischen und ethnologischen Faktoren beim Zustandekommen der orphischen Trance, so ergibt sich ein dialektischer Zusammenhang beider Faktoren: Auf der einen Seite läßt sich den Berichten über die apollinisch-dionysischen Kultpraktiken entnehmen, daß die Rauschwirkung an kollektiv vereinbarte Initiationsriten und musikalische Codes gebunden ist, die für die individuelle Affizierbarkeit des Rezipienten sorgen; insofern bildet das kulturelle Gedächtnis eine wichtige Voraussetzung für die Trance-Induktion durch Klänge. Andererseits sind es aber nicht die überlieferten Inhalte selbst, die den anderen Zustand herbeiführen, sondern die Bereitschaft, sie zu vergessen; und dieses antinomische Potential wird von den physiologischen Klangwirkungen aktiviert. Ob man die akustische Subversion des kulturellen Gedächtnisses nun mit Andrew Neher als „Driving-Effekt“ beschreibt oder mit Curt Sachs und Alfred Tomatis als Erinnerung an Urlaute – die Funktion von Trancemusik ist keine informierende, sondern eine desinformierende; sie irritiert und desemiotisiert die tradierten Kulturbedeutungen und ermöglicht gerade dadurch das ekstatische Erlebnis, ihrer Determinationsmacht sporadisch zu entrinnen. Mögen die „altered states“ nachträglich wiederum in den Kanon der vertrauten Welterklärungsmodelle aufgenommen werden, so bleibt für sie doch entscheidend das individuelle Transzendierungserlebnis.

 

Orpheus-Renaissancen

 

Nicht nur die antike Trancekultur, die auf der Dialektik von kulturellem Musikgedächtnis und geräuschinduziertem Gegengedächtnis beruht, konzentiert sich in der Orpheus-Überlieferung. Die abendländische Musikgeschichte hat sich bis heute stets vornehmlich auf den mythischen Sänger bezogen, wenn es galt, verkrustete Hörgewohnheiten zu durchbrechen und ekstatische Klangerlebnisse freizusetzen. Die wechselnden kompositorischen Verarbeitungen des Orpheus-Motivs eignen sich deshalb hervorragend als Indikator für die Konjunkturschwankungen kollektiver Trancebereitschaft in unserer Gesellschaft. Dies kann hier freilich nur punktuell dargelegt werden.

Die Begründung der Oper durch Claudio Monteverdi 1607 stand nicht zufällig im Zeichen des Orpheus. Adorno zufolge sagt man „kaum zuviel mit dem Satz, alle Oper sei Orpheus“, da in der mythischen Erzählung bereits vorgezeichnet sei, was Monteverdi mit seiner Innovation beabsichtigt habe: die Schicksalsmächte durch Musik zu erweichen, um ihrer Determination zu entrinnen.[52] Schon Polizianos Musikdrama Favola d'Orfeo (1471), von dem keine Noten überliefert sind, dürfte dieser Intention entsprochen haben. Jedenfalls ist es zu seiner Zeit Allgemeingut, daß – wie Johannes Tinctoris betont und an Orpheus exemplifiziert – „musica extasim causat“.[53] Doch Monteverdi blieb es vorbehalten, mit seinem Orfeo diesen ekstatischen Charakter im frühneuzeitlichen Erfahrungskontext zu reaktivieren. Die im vorigen Abschnitt erläuterte Dynamik des musikalischen Gegengedächtnisses läßt sich bei ihm bis in die kompositionstechnischen Details hinein verifizieren. So bedient sich Monteverdi an der zentralen Stelle seiner Oper, wo es um die Erweichung der Unterweltmächte geht, eines bemerkenswerten Kontrasteffekts: Zunächst singt Orpheus eine Arie, die durch konventionelle musikalische Codes überzeugen soll – La Speranza, die Hoffnung, gab ihm zu Beginn des 3. Akts den Rat, einen herzöffnenden „bel canto“ anzustimmen.[54] Mit extrem melismatischen Verzierungen, untermalt von Echos, die den evokatorischen Charakter seiner Musik unterstreichen, gibt Orpheus in Possente Spirto eine äußerste Probe seiner Kunst. Doch Charon, der Fährmann zur Unterwelt, bleibt hiervon völlig unbeeindruckt! Monteverdi demonstriert mit dieser musikdramatischen Pointe, daß es nicht das kunstvolle Dekor ist, das der Musik ihre Zauberwirkung verleiht. Erst als Orpheus sich selbst und seine tonkünstlerische Rhetorik vergißt[55] und – verzweifelt über die Ineffektivität seines reich verzierten Bittens – in einen unmittelbareren Gefühlsausdruck übergeht, vermag er sein Publikum zu hypnotisieren. Denn der grobe Charon ist kein Kunstkenner; er reagiert nicht hermeneutisch, sondern physiologisch auf Klänge. Gegen seinen Willen schläft er ein und gibt so den Weg zum Hades frei.

Den nächsten Höhepunkt einer affektorientierten Musiktheater-Erneuerung markiert der Orfeo Glucks. Dabei verwendet der Opernreformer einen ähnlichen Kontrasteffekt wie Monteverdi: Er läßt zu Beginn des 2. Akts die melodiöse Trauerklage durch einen martialischen Furienchor abwehren, der ihn zum Verbleib im Diesseits ermahnt. Gerade durch diesen Gegensatz aber intensiviert sich die Sehnsucht zum Schwellenübertritt; die Klage wird eindringlicher, und das Monitum zur Nüchternheit schwächt sich zunehmend ab. Die furiosen Jenseitshüter fühlen sich von einem befremdlichen „Affetto flebile“[56] durchströmt, der sie ihre Wächterfunktion schließlich vergessen läßt.

Man muß sich das hochartifizelle, aber emotionsgebremste musikalische Gedächtnis des 18. Jahrhunderts vor Augen halten, das von der französischen Oper Lullis und Rameaus einerseits und der alten rein italienischen Musik andererseits geprägt war, um die Sprengkraft der Gluckschen Komposition zu ermessen.[57] Der Vorwurf plumper Trivialität, der dem Werk bis heute anhängt,[58] stützt sich auf dieselben musikalischen Kriterien, die seine Anhänger zu ekstatischen Begeisterungsstürmen hinriß. Von Gluck selbst ist überliefert, daß er seine Operngestalten in „solch fieberglühendem Mit(er)leben schuf, daß er erst nach Monaten zur Feder griff, um dies Leben aufzuzeichnen, kompositorisch zu festigen“.[59] Rousseau soll auch nach der 40. Aufführung noch geweint haben,[60] und Berlioz, der 1866 die beiden Fassungen der Oper zu einer rauschoptimierten dritten kompilierte, berichtet über das Lesen der Gluckschen Partituren: „Sie raubten mir den Schlaf, ließen mich Essen und Trinken vergessen; ich geriet in Verzückung darüber.“[61]

Die aktuelle Hochkonjunktur musikalischer Ekstase, die alle früheren in den Schatten stellt, speist sich nicht primär aus europäischen, sondern afrikanischen Quellen: Nahezu alle Spielarten der postchoreographischen Tanzmusik bis hin zum Techno lassen sich auf schwarze Rhythmen und Klangfarben zurückführen. Um so bemerkenswerter ist es, daß auch diese jüngste Phase einer musikalischen Trancekultur eng mit dem Orpheus-Mythos konnotiert ist. Es war der Film Orfeo Negro (1959) von Marcel Camus, der – basierend auf einem Theaterstück von Vinicius de Moraes – die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Überlieferungen hervorhob. Zu einer Zeit, als der Bossa Nova, die „neue Welle“ über Brasilien hereinbrach, versetzte er einen Sambatänzer namens Orpheus in ein Tranceritual nach Art der synkretistischen Candomblés,[62] um daran zu erinnern, daß auch im zeitgenössischen Kontext die Musik ihre transzendierende Funktion nicht verloren hat. Unzählige Coverversionen des Filmsongs in allen Varianten der Jazz-, Rock-, und Popmusik künden von der Überzeugungskraft dieser Reaktualisierung. Auch Camus' Film selbst hat mittlerweile ein Remake erfahren.[63]

Doch er bildet nur einen von zahlreichen Versuchen, die Trance-Elemente der zeitgenössischen Musik durch die Bezugnahme auf den mythischen Sänger zu symbolisieren. Inwiefern das Lebensgefühl der Rockmusik im Gewand der Orpheus-Legende beschreibbar ist, hat Salman Rushdie in seinem Roman Der Boden unter ihren Füßen (1999) ausgeführt. Doch ein Blick ins Internet zeigt, daß nahezu alle neuen Stilrichtungen im Namen Orpheus' zusammenfinden. Das Spektrum reicht von Rock- und Death-Metal-Produktionen wie Orpheus Express von Japanic[64] und Orpheus von Umbah[65] über Game-Soundtracks wie Descent of Orpheus von Above the Garage[66] bis hin zu den Techno-Varianten House, Ambient, Drum N' Bass und Trance – vertreten etwa durch Orpheus Synthony No. 2 von Neil Duddridge,[67] Orpheus von CreamClub2200,[68] Morpheus in der Unterwelt von Thomas Rehm[69] und Engines of Orpheus von EtherGun.[70] Die Bezugnahme auf den Mythenstoff vollzieht sich hier im Modus einer von der Überlieferung unverstellten Reaktivierung der archaischen Potentiale. So versteht sich etwa der Trance-Techno-Track von EtherGun als Rückgriff auf die „true legend of Orpheus, undistorted by the Greek mythologists“.[71] Der radikalisierende Rekurs auf vorästhetische Ursprünge verfolgt wie ehedem die Intention, den Wachzustand des Alltags vergessen zu machen, damit eine Erinnerung präkognitiver Wahrnehmungsschichten möglich wird.

Diese Ambition wird durch das Equipment digitaler Klangproduktion in idealer Weise unterstützt. Es bietet alle Möglichkeiten zur Erzeugung akustischer Effekte, die Musikpsychologen als besonders trancefördernd auflisten. Dazu gehören die litaneienhafte Monotonie repetitiver Strukturen, der geringe Melodieumfang, der Schalldruck sehr tiefer und lauter Töne sowie Schwingungen und Rhythmen im hypnosefreundlichen Alpha-Theta-Bereich.[72] Techno wird also weniger mit den Ohren gehört als durch die Haut gespürt, mit dem Ziel einer vollständigen Dissoziation vom Alltagsbewußtsein. Die damit erreichte „Symbiose aus Klang und Körper“ gibt, wie Peter Wicke schreibt, „McLuhans Wortspiel von der in die massage transponierten message eine unerwartete Aktualität und Wendung […]. Der Körper ist zum selbstrefentiellen Objekt der klanglichen Wahrnehmung geworden.“[73]

Das ruft die Kulturkritiker auf den Plan, die sich um Sinnverluste sorgen. In der Tat: Während in Monteverdis und Glucks Kontrast-Arrangements das kulturelle Musikgedächtnis qua bestimmter Negation reflektiert wurde, ist das Ideal von Techno das reine Vergessen, ohne Bewußtsein dessen, wovon es sich abhebt. Gerade dadurch aber schlägt die musikhistorische Entwicklung auf ihrem technologischen Höhepunkt in archaischen Präsentismus um: „Es gibt kein gestern im Leben der Nacht“, schreibt Rainald Goetz in seiner Erzählung Rave,[74] die ein erschrockener Kritiker als vielfach variierte „Fanfare der Anti-Erinnerung“ charakterisiert.[75] Von der Evokation eines Gegengedächtnisses, wie es der Mythos von Orpheus paradigmatisch inszenierte, kann hier nicht mehr die Rede sein, da der affirmative Geräuschkonsum den Bezug auf sein anderes verloren hat. Diese Lesmosyne ist sich selbst genug; sie versteht sich nicht mehr als Zugang zu den Erfahrungsgründen der Mnemosyne.

Im Internet wird sich dank zunehmend optimierter Übertragungs- und Kompressionsverfahren der Trend zur auditiven Amnesie weiter durchsetzen. Das Musikerlebenis im Acoustic Cyberspace ist, wie Eric Davis schreibt, „more viscerally than in any of the far more sophisticated visually-based virtual reality installations“, kurz: es bietet eine „incredibly powerful immersive experience“.[76] Immersion aber, das Eintauchen in das Medium, ist genau das, was seine ästhetische Erfahrung unterläuft. Mensch und Maschine werden eins. Wer in dieser Symbiose das Grundrauschen der Existenz vernimmt, verwechselt es mit einem Substitut. Doch der unendliche Abstand zum archaischen Rauscherlebnis läßt sich nur sporadisch, in Anfällen von Eskapismus, leugnen. Diese Geschichtsvergessenheit ist es, die den präsentistischen Impuls von Techno allmählich ins Leere einer gequält-fröhlichen Spaßkultur laufen läßt.

Bemerkenswert ist aber, daß just aus dem innersten Bereich dieser Musik auch Gegentendenzen hervorgehen. So operieren die mittlerweile hochdifferenzierten Verfahren des Sound-Sampling mit akustischen Allusionen, die einen dezidiert selbstreflexiven Charakter haben. Wolfgang Voigts Projekt Königsforst[77] etwa erzeugt aus vielfach geloopten Wagner- und Debussyfragmenten ein technologisches Waldesrauschen, das sich wie eine wehmütige Klage über den Verlust einer Trancefähigkeit ausnimmt, die im Prozeß der abendländischen Musikgeschichte immer wieder vermittelt auflebt, aber letztlich unerfüllte Sehnsucht bleibt und nur in der befremdlichen Vagheit von déjà entendu-Erlebnissen erinnert werden kann. Die melancholische – bei früheren Produktionen Voigts, z.B. Zauberberg, noch mehr ins Düstere spielende – Grundstimmung dieses Klangfarbenrauschens signalisiert den historischen Abstand von jeglicher archaischen Unmittelbarkeit, die wohl stets eine Schimäre war. Zugleich aber taucht sie den Hörer in eine akustische Atmosphäre, deren Wirkungsaspekte in kulturalistischen Erklärungen nicht aufgehen. Vom ersten Klagelaut, mit dem die Musikgeschichte mutmaßlich begann, über die orphischen Threnoi bis in ihre opernhaften und elektroakustischen Reinszenierungen hinein bleibt die melodisch exprimierte Trauer um das Verlorene ein offenbar ungebrochen effizientes Trancemedium. Schon Monteverdis Zeitgenosse Marin Mersenne erklärte diese anachrone Evokationskraft trauriger Klänge physiologisch: Sie seien besonders geeignet, eine rigorose Trennung von Leib und Seele herbeizuführen und dank dieser Ekstase das höchste Glück hervorzurufen. Der Autor der Harmonie Universelle (1636) spricht in diesem Zusammenhang von „ravissement“[78] (Verzückung) – was ein begriffsgeschichtliches Licht auf die Dissoziationserlebnisse bei Techno-„Raves“ wirft – und illustriert sein Werk nicht zufällig durch das Bildmotiv von Orpheus unter den Tieren.[79] Denn letztlich zielt die Sehnsucht nach daseinsentrückten Zuständen auf animalische Selbstvergessenheit.

 

Kein Epilog

 

Was aber empfinden die Tiere, wenn sie Orpheus lauschen? Was ist das Geheimnis ihrer friedlichen Ekstase? Friedrich Nietzsche, gerade von gedankenvollen Spaziergängen über graubündische Kuhwiesen an den Basler Schreibtisch zurückgekehrt, machte zu Beginn seiner gedächtniskritischen Schrift Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben die Grenzen solcher Nachforschungen deutlich: „Der Mensch fragt wohl einmal das Thier: warum redest du mir nicht von deinem Glücke und siehst mich nur an? Das Thier will auch antworten und sagen, das kommt daher dass ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte – da vergass es aber auch schon diese Antwort und schwieg: so dass der Mensch sich darob verwunderte.“[80]

 

Anmerkungen

 

[1] Vgl. Claude E. Shannon/ Warren Weaver, Mathematische Grundlagen der Informationstheorie. München Wien 1976, S. 21f. u. 48–53. – Vilém Flusser, Ins Universum der technischen Bilder. Göttingen 1985, S. 19.

[2] Vgl. zu diesem Motiv in Heideggers Metaphysik-Vorlesung: Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit. München 1994, S. 226–239.

[3] Vgl. Alfred A. Tomatis, Der Klang des Lebens. Vorgeburtliche Kommunikation – die Anfänge der seelischen Entwicklung. Reinbek bei Hamburg 1990.

[4] Christoph Drösser, Musikalisches Vieh. In: Die Zeit, 30.9.1999, S. 35.

[5] Theodor W. Adorno, Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens. In: Gesammelte Schriften 14. Frankfurt am Main 1973, S. 14–50. Hier: S. 14.

[6] Vgl. den Tagungsbericht: Trance, Music, and Music-Trance Relations. A Symposium. In: Pacific Review of Ethnomusicology, UCLA, Vol 4 (1987).

[7] Hans Neuhoff, Musik und Trance. In: Neue Zeitschrift für Musik 6 (1995), S. 38–42. Hier: S. 41 und 42. – Vgl. Gilbert Rouget, Music and Trance. A Theory of the Relations between Music and Possession. Chicago London 1985.

[8] Boris Will, „Funktionelle Musik“ erfolgreich einsetzen. Diplomarbeit SAE Berlin 1994. Hier: S. 34.

[9] Vgl. Ralph Spintge/ Roland Droh, Musik–Medizin. Physiologische Grundlagen und praktische Anwendungen. München 1992.

[10] Einen Querschnitt bietet die Healing Music-Serie der Relaxation Company, Köln.

[11] Minicomputer, die via Kopfhörer und eine mit Leuchtdioden bestückte Brille audiovisuelle Signale im Frequenzspektrum des EEG übertragen. Nähere Informationen z.B. unter http://www.ecst.csuchico.edu/~andrewc/.

[12] Waltraud Schwab, In Sibirien blüht der Schamane auf. Eine Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt folgt den Spuren der Geisterseher. In: FAZ, 16.10.1999, S. BS 4.

[13] Vgl. Sebastian Handke, Willkommen im Club. Techno ist Teil des Establishments, und keiner weint deswegen. In: Süddeutsche Zeitung, 12.7.2000, S. 17.

[14] Peter Kemper, Sven Väth. In: FAZ-Magazin, 16.06.1995, S. 6–14.

[15] Rainald Goetz, Rave. Erzählung. Frankfurt am Main 1998, S. 19.

[16] Frank Natale, Trance Dance. Der Tanz des Lebens – Geschichte, Rituale, Erfahrungen. Berlin 1993.

[17] Joachim-Ernst Berendt, Das Dritte Ohr. Vom Hören der Welt. Reinbek bei Hamburg 1988.

[18] Mickey Hart, Die magische Trommel. München 1993.

[19] www.sonntagszeitung.ch/1999/sz14/S99-2883.HTM

[20] Hans Neuhoff, Musik und Trance. In: Neue Zeitschrift für Musik 6 (1995), S. 38–42. Hier: S. 39.

[21] Christian Kaden, Außer-sich-Sein, Bei-sich-Sein. Ekstase und Rationalität in der Geschichte der Musik. In: Neue Zeitschrift für Musik 6 (1995), S. 5–12.

[22] Mircea Eliade, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Frankfurt am Main 1975.

[23] Henri A. Junod, The life of a South African tribe. Neufchatel 1913, Bd. 2, S. 441–445.

[24] Melville J. Herskovits, Pesquisas ethnologicas na Bahia. Estado 1943, S. 25.

[25] Andrew Neher, A Physiological Explanation of Unusual Behavior in Ceremonies Involving Drums. In: Human Biology 34 (1962), S. 151–160. – Vgl. Andrew Neher, Paranormal and Transcendental Experience. A Psychological Examination. 2. Aufl. New York 1990.

[26] Hans Christoph Kossak, Lehrbuch der Hypnose. Weinheim und Basel 1993, S. 255. – Zur terminologischen Äquivalenz von Trance und Hypnose vgl. John Grinder, Therapie in Trance. Hypnose: Kommunikation mit dem Unbewußten. Stuttgart 1984; sowie Bernhard Hell, Hypnose und Schamanismus. München 1993.

[27] Rosenboom, David (ed.): Biofeedback and the Arts. Results of Early Experiments. Vancouver 1976, S. 61.

[28] Michael Hutchison, Megabrain Zones. CD-Trilogie. Schriesheim 1998.

[29] Max Peter Baumann, Rauschen im Kopf. In: Sabine Sanio (Hg.), Das Rauschen. Aufsätze zu einem Themenschwerpunkt im Rahmen des Festivals "Musikprotokoll '95 im Steirischen Herbst"; Hofheim 1995, S.#

[30] Tomatis, Der Klang des Lebens [wie Anm. 2], S. 176f.

[31] Rouget, Trance [wie Anm. 6], S. 325f.

[32] Gerhard Harrer/ Hildegund Harrer, Music, Emotion and Autonomic Function. In: Macdonald Critchley/ R.A. Henderson (ed.), Music and the Brain. Studies in the Neurology of Music. London 1977, S. 202–217. Hier: S. 210.

[33] Vgl. Roger Caillois, Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Frankfurt am Main 1982, Kap. VII: Verstellung und Rausch.

[34] Denys L. Page (ed.), Poetae Melici Graeci. Oxford 1962, S. 293, fr. 62.

[35] Vgl. Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Bd. VII.1. – Max Wegner, Orpheus. In: Musik in Geschichte und Gegenwart. Bd. 10, hg.v. Friedrich Blume. Kassel u.a.1962, Sp. 411ff. – John Block Friedman, Orpheus in the Middle Ages. Cambridge (Mass.) 1970.

[36] Apollonius von Rhodos, Das Argonautenepos. Griechisch-Deutsch. Hg. v. R. Glei u. S. Natzel-Glei. 2 Bde. Darmstadt 1997, I, 518.

[37] Ebd., V. 540.

[38] Die Hadesfahrt mit der Episode vom Verbot der Umwendung wird erst bei Vergil (Georgica IV, 454–503) ausgeführt, doch gibt es eine Erwähnung bereits in Euripides' Alkestis. Das älteste bildliche Zeugnis der Sage von Orpheus' Gang in die Unterwelt ist ein Grabplattenrelief (Louvre Ma 854), das um 420 v. Chr. entstanden ist.

[39] Eric Robertson Dodds, Die Griechen und das Irrationale. Darmstadt 1970, S. 82.

[40] Daß die hypnotisierenden Effekte, die ihm zugeschrieben werden, durchaus reale Vorbilder hatten, ist evident. So berichtet etwa Plutarch, daß Terpander, der Begründer der spartanischen Musikerziehung und Kitharode wie Orpheus, einmal gerufen worden sei, um Aufruhr unter den Lakedaimoniern mit seiner Musik zu schlichten (De musica § 42).

[41] Vgl. Hannelore Thiemer, Der Einfluß der Phryger auf die altgriechische Musik. Bonn Bad Godesberg 1979.

[42] Vgl. Gregorio Paniagua, Musique de la Grèce Antique. Harmonia Mundi 1979. – Petros Tabouris, Secular Music of Greek Antiquity – vol. 1. FM Records 1983. – Gayle Stuwe / Neumann, Philip / Gavin, William Neumann, Music of the Ancient Greeks. Pandourion Records 1995.

[43] Ovid, Met. XI, 1ff.

[44] Vgl. Anm. 41.

[45] Curt Sachs, The Wellsprings of Music. New York 1962.

[46] Hesiod, Theogonie. Hg. u. übersetzt v. Karl Albert. 5. verb. u. ergänzte Aufl. St. Augustin 1993, V. 54f. – Hv. P.M.

[47] Lucius Annaeus Seneca, Hercules Oetaeus. In: Tragedies II. #

[48] Ovid, Met. X, V. 56.

[49] Simonides / Bakchylides, Gedichte, hg. v. Oskar Werner. München 1969, fr. 20.

[50] Ebd., fr. 60. Zu den Gerüchten über seinen Drogengebrauch vgl. Herwig Blum, Die antike Mnemotechnik. Hildesheim/ New York 1969 (=Spudasmata 15), S. 142.

[51] Page, Poetae [wie Anm. 33], S. 320, fr. 142.

[52] Theodor W. Adorno, Bürgerliche Oper. In: Gesammelte Schriften, Bd. 16. Frankfurt am Main 1978, S. 24–39. Hier: S. 30. – Hv. P.M.

[53] Johannes Tinctoris, Complexus effectuum musices (1473/74), S.#. – Ders., De inventione et usu musicale (1487?). In: Karl Weinmann, Johannes Tinctorus und sein unbekannter Traktat "De inventione et usu musicale". Historisch-kritische Untersuchung; Tutzing 1961, S. 27–47. Hier: S. 43ff. – Vgl. Sebastian Klotz, Betörende Harmonien, wandernde Seelen. Szenarien gelehrter Ekstase in der Renaissance. In: Neue Zeitschrift für Musik 6 (1995), S. 33–3. Hier: S. 33.

[54] Das hat natürlich nichts mit dem erst im 19. Jh. aufkommenden „Belcanto“-Gesang zu tun, kann aber „wie eine erste Arie gehört werden“ [Kattrin Deufert, Orpheus und die Anfänge eines Musiktheaters in der Renaissance. In: Wolfgang Storch (Hg.), Mythos Orpheus. Stuttgart 1997, S. 274–279. Hier: S. 277.

[55] Vgl zu dieser These auch Klaus Theweleit, Buch der Könige. Bd. 1: Orpheus und Eurydike. Frankfurt am Main 1995, S. 570.

[56] Berlioz-Fassung, Nummer 27.

[57] Vgl. zu diesem Parteienstreit Melchior Grimm, Correspondance littéraire philosophique et critique. Auswahl in ders.: Paris zündet die Lichter an. Literarische Korrespondenz; Leipzig 1977, S. 355f.

[58] Vgl. Theodor W. Adorno, Frankfurter Opern- und Konzertkritiken. Dezember 1929. In: Gesammelte Schriften 19. Frankfurt am Main 1984, S. 160–165. Hier: S. 161ff.

[59] Kaden, Außer-Sich-Sein [wie Anm. 20], S. 12.

[60] Berichtet von J.C.F. Rellstab im Vorwort zum Klavierauszug Orphée/Orpheus. Berlin 1791. Zit. nach Ludwig Finscher, che faró senza Eudridice? Ein Beitrag zur Gluck-Interpretation. In: Festschrift Hand Engel; Kassel u.a. 1964, S. 96ff.

[61] Hector Berlioz, Memoiren, mit der Beschreibung seiner Reisen in Italien, Deutschland, Rußland und England 1803–1865. Leipzig 1980, S. 29.

[62] Vgl. Tiago de Olivieira Pinto, Capoeira, Samba, Candomblé. Berlin 1991.

[63] Carlos Diegues, Orfeu. Brasilien 1999.

[64] www.japanic.net/redbook.html.

[65] artists.mp3s.com/artist_song/522/522805.html.

[66] www.atgp.com/orpheus.mid.

[67] www.musicman.co.uk/audio.html.

[68] artists.mp3s.com/artist_song/697/697241.html.

[69] artists.mp3s.com/artist_song/473/473337.html.

[70] artists.mp3s.com/artists/cds/45/45171_qb1.html.

[71] artists.mp3s.com/artist_song/796/796907.html.

[72] Vgl. Rudolf Maria Brandl, Musik und veränderte Bewußtseinszustände. In: Herbert Bruhn / Rolf Oerter / Helmut  Rösing (Hg.), Musikpsychologie. Ein Handbuch. 3. Aufl. Reinbek bei Hamburg 1997, S. 599–610. – Thomas Koch: Trance. In: Philipp Anz / Patrick Walder (Hg.), Techno. Zürich 1995, S. 101–105.

[73] Peter Wicke, "Move Your Body" – Über Sinn, Klang und Körper. In: Götz Darsow (Hg.): #

[74] Goetz, Rave [wie Anm. 14], S. 229.

[75] Ingo Arend, Bis früh um fünfe süße Maus... Im „Rave“-Rausch. Rainald Goetz tanzt zwischen Ironie und Verklärung. In: Freitag, 24.4.1998, S. 13.

[76] nettime, 22.4.1998, figment@sirius.com.

[77] Gas, Königsforst. Mille Plateaux 2000.

[78] Marin Mersenne, Harmonie Universelle, contenant la théorie et la pratique de la musique. Faksimile der Ausgabe Paris 1936, hg. v. François Lesure; Paris 1975, Livre Second: des Chants, S. 176.

[79] Ebd., Titelillustration innen.

[80] Friedrich Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben. In: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari. München/ Berlin/ New York 1988, Bd. 1, S. 243–334. Hier: S. 248.