Peter Matussek

Goethes Medientheorie

 


In: Ahrens, Jörn; Braese, Stephan (Hg.): Im Zauber der Zeichen, Berlin 2007, S. 75-87.



     
 

 

Medientheoretische Zugänge zu Goethe sind bis heute eher die Ausnahme. Denn Goethe gilt uns als letzter Vertreter der sogenannten "Kunstperiode", die mit seinem Tod ihr Ende gefunden habe – so urteilten schon seine Zeitgenossen Hegel, Heine und Gervinus. Und wenn Goethe heute in ein Verhältnis zu unserer sogenannten "Mediengesellschaft" gebracht wird, so geschieht das vorwiegend in negativer Abgrenzung der Literatur gegen die audiovisuellen Medien.

Eine gewisse Ausnahme bildet Friedrich Kittler, der zum Auftakt seines Buchs Aufschreibesysteme [2] den Versuch machte, die Eingangsszene von Goethes Faust anders zu lesen als frühere Interpreten. Kittler beschrieb Faust als Exponenten eines literal dominierten Mediensystems, der aus den engen Maschen der Textnetzwerke ausbrechen will. Fausts Zuwendung zur Magie deutet Kittler lacanistisch als vergeblichen Versuch, sich der symbolischen Ordnung zu entziehen, die sich noch in der Makrokosmosvision und der Erdgeistbeschwörung als Konsum von "Zeichen" erweist. Faust bleibe also verstrickt in Diskurse, auch wo er explizit beansprucht "nicht mehr in Worten (zu) kramen". [3]

In nicht minderem Grad als die Position der traditionellen Philologie ist die der Kittlerschen Diskursarchäologie einseitig. Ich möchte im folgenden zeigen, dass Goethe nicht nur ein ungeeigneter Kronzeuge ist, um die literale Kultur gegen die Audiovisualität auszuspielen,. sondern dass  dass er im literarischen Experiment Wege aufzeigt, wie die Begrenztheit audiovisueller Zeichen überwunden werden kann. Richtungweisend für diesen Weg ist sein Verständnis von "Medialität",  das sich nicht in Zeichensystemen erschöpft erschöpft, sondern – wenn auch zunächst vermittelt durch Zeichen – die ganze Lebenswelt mit ihren Sinneserfahrungen und Situationserlebnissen einschließt.

 

Nur einen sehr indirekten Zugang zu Goethes Medientheorie finden wir im Sprachgebrauch seiner Epoche. Wie Stefan Hoffmann unlängst dargelegt hat, überwiegt in der Goethezeit ein Medienbegriff, der situative und personale Vermittlungen im allgemeinen nicht kennt. Das situative, also als Zwischenmittel verstandene "Medium" kommt erst während Goethes letzter Lebensphase in Gebrauch, das personale erst nach ihm, durch Mesmerismus und Spiritismus eingeführt. [4]

Entgegen dieser generellen Aussage können wir feststellen, daß beide Wortbedeutungen der Sache nach, implizit, bei Goethe schon wesentlich früher vorliegen. Wir wissen, dass Goethe schon in seiner Jugend ein starkes Interesse für alchemistische Studien und Experimente entwickelte. Dabei kam der Begriff "Medium" in der Form von "Remedium", also als Arzneimittel, vor. So machte es großen Eindruck auf ihn, als der in seiner Frankfurter Kranheitsperiode herbeigerufene Arzt ihn durch ein "geheimnisvolles Salz" von seinem Leiden befreite. Auch die "materia prima" der Alchemisten ist ein "geheimnisvolles Salz", das als Katalysator für die Produktion von Gold dienen sollte – wobei die Transformation der Elemente in Gold der Lehre zufolge nur die profane Außenseite der esoterischen Transformation des Alchimisten selbst war, der sich dadurch, dass er den Naturvorgang in seine Regie nahm, mit der göttlichen Schöpfungskraft ineins setzte. [5]

So zur Lektüre alchemistischer Schriften angeregt, las Goethe u.a. die Aurea Catena Homeri von Anton Joseph Kirchweger (1723), die in konzentrischen Schemata die Überzeugung darlegte, dass der Mensch, der Mikrokosmos, durch Analogiebeziehungen in Verbindung mit den Kraftfeldern des Makrokosmos steht. Kirchweger geht dabei auf ältere Überlieferungen zurück – insbesondere den Topos der "Kette der Wesen", die in dem berühmten Frontispiz Merians zu Robert Fludds Kosmoslogie von der Hand Gottes zur natura, und von dort zum Affen der Kunst führt, der den Menschen nachahmt, so wie die Kunst die Natur nachahmt. [6]

Als Goethe nach Straßburg kam und Herder kennenlernte, der seine alchemistischen Interessen verspottete, gab er sie nicht wirklich auf, sondern übersetzte sie sich in den neuen medientheoretischen Kontext der Sprachforschung. Er las Herders Preisschrift Über den Ursprung der Sprache im Manuskript und fand darin analogische Entsprechungen zur magischen Vorstellungswelt. Denn die Sprache, wie Herder sie verstand, wies quasi magische Qualitäten auf, indem sie über den Klang der Stimme an die Urkräfte der Natur erinnerte. So erklärt Herder etwa die Entstehung des Wortes "Blöken" daran, dass der Mensch ein Schaf hörte, wie es seinen Naturlaut von sich gegeben habe. Der Mensch habe dabei selbst "inwendig geblökt" und zu sich gesagt: "Ha, Du bist das Blökende!" Im Wort "Blöken" erinnert die Sprache also durch ihren Klang an den Urlaut des Blökens und kann so das hinter den modernen Begriffen zurückgetretene Potential der urspünglichen Laute, die Mensch und Natur verbinden, reaktivieren. [7]

Noch im Bannkreis der alchemistischen Magie stehend und zugleich fasziniert von Herders Sprachmagie, notierte sich Goethe erste Einfälle zu einem Faustdrama, die beide Einflüsse zu einem bemerkenswerten Stufenmodell sinnesmedialer Transgressionen verbanden.

Am Anfang des Dramas (V. 354 ff.) begegnen wir Faust inmitten der Gutenberg-Galaxis seiner Gelehrtenstube. Die literalen Medien, die er "durchaus studiert" hat, konnten ihm nicht die erhoffte Erkenntnis dessen vermitteln, "was die Welt im Innersten zusammenhält". Was er daraufhin im historischen Kontext durch wechselnde Formen von Magie erreichen will, läßt sich unter modernen Gesichtspunkten als Medienwechsel beschreiben: Anstatt weiter in geschriebenen "Worten [zu] kramen" sucht er "alle Wirkenskraft und Samen" fortan in einer bildlichen Darstellungsformen, nämlich in der Makrokosmosvision (V. 384 ff.).

Zeichenhaft wie die vergeblich studierten Schriften ist auch das Makrokosmosschema, das er beim Umschlagen des Buches erblickt. Doch erlebt wird dieser Übergang von der Schrift zum Bild als Offenbarung. Dabei nimmt er Bezug auf die genannten Topoi der alchemistisch-neuplatonischen Tradition: Die "Wonne" die "ihm in diesem Blick/ Auf einmal … durch alle … Sinnen" fließt, beruht auf der Analogie der menschlichen Sinne mit den Himmelskräften; die "wirkende Natur" die er in "reinen Zügen vor seiner Seele liegen" sieht, bezieht sich auf die makrokosmischen Schemata; und die Vision der "Himmelskräfte, die "auf- und niedersteigen/ und sich die goldenen Eimer reichen", spielt an auf die Aurea Catena Homeri, also die hermetische Vorstellung einer "Kette der Wesen", die den himmlischen Makrokosmos mit dem menschlichen Mikrokosmos verbindet. Auch Fausts Rede von einem "Schauspiel" ist quellentreu. Sie spielt auf das "Welttheater" bzw. Theatrum Mundi an, das im 16. Jahrhundert vorherrschende Paradigma der Wissensdarstellung. Der Begriff Theatrum konnte im damaligen Sprachgebrauch rein enzyklopädisch gemeint sein, [8] aber auch performativ [9] in dem Sinne, wie Faust das "Schauspiel" des Makrokosmos wahrnimmt. Eine solch performative Bedeutung finden wir insbesondere in den Gedächtnistheater-Konzepten von Giulio Camillo und Robert Fludd.

Giulio Camillo hatte sich nicht darauf beschränkt, das Theatrum Mundi als Metapher für die Organisation des Wissens über den Kosmos zu nehmen, sondern er hatte den Kosmos nachgebaut – als mannshohe Miniatur eines Vitruvschen Theaters, auf dessen siebenstufigen, in sieben Segmente unterteilten Rängen er allegorische Bilder arrangierte, deren Kombination im Geiste des Rezipienten eine dynamische "Aufführung" von kosmologischen Kräften vorstellig machte. [10] Ähnlich verhält es sich bei Fludd, der im Memoria-Kapitel seiner Kosmologie ein Gedächtnistheater abbildete, das die Wissensinhalte "wie in einem öffentlichen Theater, in dem Komödien und Tragödien aufgeführt werden," [11] auf die Bühne brachte.

Diese Memoriatheater verfolgten ausdrücklich den Zweck, sich den gesamten Kosmos einprägen und damit dem göttlichen Geist gleichstellen zu können, der nach neuplatonischer Auffassung die Urbilder aller geschaffenen Dinge in seinem Gedächtnis trug. Darauf spielt Faust an, wenn er fragt: "Bin ich ein Gott? [...] / Ich schau' in diesen reinen Zügen/ Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen." (V. 439 f.).

Mit dem Medienwechsel vom Wort- zum Schauspiel ist Faust seinem Erkenntnisziel näher gerückt. Doch bald schon empfindet er Ungenügen an der Vermitteltheit dieser Nähe: "Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!" (V. 454). Die Beschwörung einer nicht nur anschaulich performativen, sondern leibhaftig erfahrbaren Naturkraft soll ihm weiterhelfen (V. 460 ff.). Hierfür sucht er ein neues Medium auf. Faust blättert "das Buch um und entdeckt das Zeichen des Erdgeistes."

Es ist viel darüber spekuliert worden, aus welchen historischen Quellen sich diese Figur speist. [12] Doch keiner der einschlägigen Bestimmungsversuche trifft den entscheidenden Grundzug der Erdgeistbeschwörung: ihren auditiven Charakter. Faust "spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus", und der Erdgeist wird durch diese Stimme angezogen:

"Wer ruft mir?" ... "Du flehst" ... "Meine Stimme zu hören" ... "Dein mächtig Seelenflehn" ... "der Seele Ruf" ... "des Stimme mir erklang" (V. 487 ff.).

Diese auditive Ausrichtung konnte kein Faustkommentar in den historischen Quellen auffinden, da sie unmittelbar zeitgenössisch ist. Sie geht auf die erwähnten Einflüsse Herders zurück, die Goethe schon während ihrer gemeinsamen Straßburger Zeit zu ersten Entwürfen eines Faust-Dramas verarbeitete. Herders Vorstellung von der menschlichen Ursprache wird von Goethe in der Erdgeistszene kongenial umgesetzt. Die Beschwörungsrede entspricht mit ihren Interjektionen ("Ha!" ... "Weh!")  und Ellipsen ("Schon fühl' ich" ... "Schon glüh' ich" ... "Die Lampe schwindet!") dieser Ursprache und betont exzessiv ihren affektiven Charakter ("fühl' ich" ... "glüh' ich" ... "Ich fühle" ... "Ich fühl's" ... "Zu neuen Gefühlen/ All' meine Sinne sich erwühlen" ... "Ich fühle").

Indem die Erdgeistbeschwörung derart als Einswerdung mit einer Urkraft durch den Sprachlaut inszeniert wird, hebt sie sich von der Makrokosmosvision als neuerlicher Medienwechsel ab. Beide Male geht es um "Zeichen" (vor V. 430, vor V. 460). Aber diese Zeichen sind durch ihre medialen Bezüge voneinander unterschieden: So wie das Optozeichen des Makrokosmos die Schriftzeichen als Fausts Leitmedium ablöste, so löst nun das Sonozeichen des Erdgeistes das Optozeichen ab. Der Gewinn dieser Medienwechsel jedesmal ein Intensitätszuwachs leiblicher Erfahrung.

Doch auch auf dieser Stufe wird der Durchbruch zur Essenz der Dinge verfehlt. Der zunächst erfolgreich angezogene Erdgeist weist Faust schließlich doch zurück: "Du gleichst dem Geist, den du begreifst,/ Nicht mir!"

Für unseren Versuch einer Rekonstruktion von Goethes Medientheorie läßt sich im Hinblick auf das Frühwerk also bilanzieren, dass Goethe explizit und offenbar sehr bewußt die Verschiedenheit der Speichermedien Schrift, Bild und Klang bezüglich ihrer Fähigkeit zur Vermittlung eigenleiblicher Erfahrung reflektiert, und dass er am künstlerischen Experiment seiner ersten Faust-Szene demonstriert, wie entsprechende Medienwechsel zwar eine veränderte, letzlich aber doch nicht befriedigende Wirkung auf das Subjekt haben.

Die logische Konsequenz aus dieser Aporie ist die Überwindung des sinnesästhetischen Medienkonzepts zugunsten eines erweiterten Medienbegriffs. Und auch diese Konsequenz läßt sich in aller Deutlichkeit am Fortgang des Faust-Dramas ablesen.

In Wald und Höhle begegnet Faust wiederum dem Erdgeist, der sich ihm nun aber in veränderter Gestalt und zugänglicher offenbart:

Erhabner Geist. Du gabst mir, gabst mir alles,

Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugewendet.

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. (V. 3218 f.)

Wir können also fragen, welches veränderte Medienkonzept diesen innigeren Naturgenuß ermöglicht.

Auf der Ebene der dramatischen Handlung läßt sich die Veränderung klar benennen: Faust ist herausgetreten aus der Welt der Zeichen, in der er als Gelehrter gefangen war, hat sich mit der Hilfe Mephistos verjüngen lassen und in Margarethe verliebt. Die Szene Wald und Höhle schließt an das gegenseitige Liebesgeständnis im Garten an. Faust ist also wie in der Gelehrtenstube stark emotionalisiert, doch die affektive Haltung gegenüber dem Objekt des Begehrens hat sich geändert: War es damals der fordernde Wille nach Vereinigung ("Du mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!" – V. 481), ist es nun eine dem anderen sich öffnende Empfänglichkeit ("gabst mir alles,/ Warum ich bat" – V. 3218). Fausts Medium ist nun nicht mehr das Zeichen, das er beschwört, sondern die Liebe, die er sympathetisch zulässt.

Es mag ungewöhnlich sein, die Liebe als Medium anzusprechen, für Goethe ist es das aber nicht, wie ein Blick auf den Entstehungskontext der Szene zeigt.

Wann Goethe die Szene Wald und Höhle schrieb, läßt sich nicht genau sagen. [13] Auf jeden Fall aber ist sie von den Lebenserfahrungen des ersten Weimarer Jahrzehnts geprägt. Goethe hatte in dieser Phase, die 1775 mit seiner Übersiedlung nach Weimar begann, seinen Sturm-und-Drang-Gestus rasch abgelegt, was mit der Verantwortungsübernahme am Weimarer Hof zusammenhing, die auch Zuständigkeiten für Garten- und Bergbau sowie Forstwirtschaft einschloss. Dies führte dazu, daß Goethe nun erstmals wissenschaftliche Naturstudien betrieb, seine Naturverbundenheit sich also nicht mehr pauschal auf das Abstraktum genialischer Schöpferkraft bezog, sondern auf das je individuelle Phänomen. Zudem lernte er nun die in konkreten Erscheinungen wahrgenommene Natur als Refugium vor der Hektik der Amtsgeschäfte schätzen. Der entscheidende Grund aber, warum er in diesen Jahren eine Faustszene schreiben konnte, die von einem höchst innigen und intimen Naturgefühl zeugt, ist seine platonische Liebe zu Charlotte von Stein. Das erotische Begehren, das Charlotte in ihm anregte, aber zugleich auf schwesterliche Distanz hielt, trug Goethe auf seinen einsamen Rückzügen in die Natur hinein, wovon die Naturlyrik des ersten Weimarer Jahrzehnts deutliches Zeugnis ablegt.

So auch der Monolog in Wald und Höhle. Die Natur wird hier als "Du" angesprochen, als vertrautes Gegenüber, in dem Faust "den Busen eines Freunds" erschaut, seine "Brüder" erkennt, das ihn "zur sichern Höhle" führt und schließlich "aus dem feuchten Busch" befriedigte Empfindungen aufsteigen läßt, die "der Betrachtung strenge Lust" lindern (V. 3224–3239).

Daß Charlotte eine solches Medium der Naturwahrnehmung für Goethe werden könnte wie hier Margarethe für Faust, war ihm erstaunlicherweise von vornherein klar. Schon als er, noch vor derm ersten BegegnungKennenlernen, von Lavater einen Scherenschnitt Charlottes vorgelegt bekam, war er tief angerührt und kommentierte ihre Physiognomie mit den Worten:

"Es wäre ein herrliches Schauspiel zu sehen, wie die Welt sich in dieser Seele spiegelt. Sie sieht die Welt wie sie ist, und doch durch's Medium der Liebe." [14]

Ein derart auf personale Qualitäten bezogener Gebrauch des Wortes "Medium" kommt bei Goethe öfter vor. So schreibt er über einen Besuch von Voß in Weimar schreibt er am 9. Juni 1794 an Meyer:

"Es war mir lieb ihn gesehen und gesprochen und die Grundsätze wonach er arbeitet von ihm selbst gehört zu haben. So läßt sich nun das was im allgemeinen mit uns nicht harmonirt durch das Medium seiner Individualität begreifen." [15]

Und am  9. März 1806 schreibt er an Arnim:

"Es war mir sehr angenehm, durch Ihr Medium die große Stadt zu sehen, und wir haben uns lebhaft über die glückliche Darstellung so mancher wunderlicher Bilder gefreut." [16]

Personale Formen von Medialität erschließen auch Faust in Wald und Höhle die Natur: Das Medium der Liebe ermöglicht ihm eine sympathetische Mimesis an die Naturerscheinungen. Wie in den erwähnten Briefstellen dient diese Medialität aber nicht nur der Vermittlung eines Gefühls von Nähe, sondern auch der Erkenntnis.

"Du führst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen" (V. 3225–3227)

sagt Faust unter Anspielung auf die zeitgenössische naturgeschichtliche Rede von der "Kette der Wesen", und wenn er sich dafür bedankt, "die herrliche Natur zum Königreich" (V. 3220) bekommen zu haben, dann klingt darin zumindest an, was Goethe in jenen Jahren bei Linné gelernt hat: die Unterscheidung der drei "Reiche der Natur". So bekennt der naturforschende Dichter im Rückblick auf das Jahr seiner Ankunft in Weimar:

„Von dem hingegen, was eigentlich äußere Natur heißt, hatte ich keinen Begriff, und von ihren sogenannten drei Reichen nicht die geringste Kenntnis.“ [17]

Das ändert sich in dem Moment, als der Übersiedler durch die beruflichen Aufga­ben, die er nun am Fürstenhof übernimmt, mit der zeit­ge­nös­si­schen Naturkunde in Berührung kommt. Er lernt die drei Reiche der mineralia, vegetabilia und animalia unterscheiden und gemäß der Linnéschen Taxinomie ihre spezifischen Merkmale zu differenzieren.

Die Art und Weise aber, wie er sich mit dieser Terminologie vertraut macht, ist ebenfalls durch personale Medien vermittelt. So schildert er den anmutigen Eindruck, wenn er in der Kutsche, begleitet von höfischer Gesellschaft, durch die Landschaft fährt und

„wenn ein schmucker Land­knabe, im kurzen Westchen, daher­lief, große Bündel von Kräutern und Blumen vor­weisend, sie alle mit Namen, griechischen, lateini­schen, bar­barischen Ursprungs bezeichnend; ein Phänomen, das bei Männern, auch wohl bei Frauen, vielen Anteil erregte.“ [18]

 

Wir können damit als zweite Zwischenbilanz unserer Rekonstruktion von Goethes Medientheorie resümieren, dass der vom sinnesästhetischen Zeichen zur anthropologischen Mimesis erweiterte Medienbegriff sowohl im künstlerischen Experiment als auch in der naturwissenschaftlichen Praxis Goethes einen deutlichen Erkenntnisfortschritt bringt.

Doch auch dieser Medienbegriff stößt an Grenzen, die Goethe zu seiner abermaligen Revision führen. Und diese Grenzen sind dem Monolog in Wald und Höhle bereits eingeschrieben. Nach einer Zäsur  klagt Faust:

O daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,

Empfind' ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,

Die mich den Göttern nah und näher bringt,

mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr

Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,

Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts,

Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.

Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer

Nach jenem schönen Bild geschäftig an.

So tauml' ich von Begierde zu Genuß,

Und im Genuß verschmacht' ich nach Begierde. (V. 3240–3250)

Was hier beklagt wird, ist die Vernichtung der Substanzialität des Naturempfindens durch eine nominalistische Explikation, die mit einem "Worthauch" alle Aussagen über die Erfahrung der Phänomene zu bloßen Bezeichnungen, zu flatus vocis, relativiert. Goethe hat diese Wendung nicht nur aus dramaturgischen Gründen eingeführt, um den Fortgang der Fausthandlung zu motivieren. Sondern er reflektiert darin zugleich ein grundsätzliches Problem eines personal-mimetischen Medienbegriffs: Durch die Nötigung, die persönliche Erfahrungsgewißheit einer Naturverbundenheit zu erklären, wird das Medium zersetzt, dem sie sich verdankt. Denn diese Erfahrungsgewißheit beruht – um einen Ausdruck von Hermann Schmitz aufzugreifen – auf der "Binnendiffusion" dessen, was das Gemeinschaftserlebnis einer Situation zweier Personen ausmacht. [19] Wie der Dialog zwischen Faust und Mephisto im weiteren Verlauf der Szene geradezu lehrstückhaft verdeutlicht, lösen sich die personal vermittelten Naturqualitäten unter Explikationszwang auf in reine Projektion, hinter der sich die unerbittliche Logik der Naturgesetze als Antrieb offenbart:

"In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,

Bald liebewonniglich in alles überfließen,

Verschwunden ganz der Erdensohn,

Und dann die hohe Intuition –

(mit einer Gebärde)

Ich darf nicht sagen, wie – zu schließen." (V. 3288–3292)

Das epistemologische Problem, das mit dieser vernichtenden Polemik auf den Punkt gebracht wird, ist die Unaussprechlichkeit des Individuellen. Der Satz „Individuum est ineffa­bile“ sei es, schreibt Goethe 1780 an Lavater, woraus er „eine Welt ableite“ [20] . Diese Ableitung aber wird für ihn in dem Maße fragwürdig, wie er sich um eine konsensfähige Explikation seiner naturwissenschaftlichen Positionen bemüht.

Dieser Prozess beginnt schon während der Italienreise, auf der er zunächst noch die Urpflanze als konkretes Individuum gesucht hatte, dann aber die Vergeblichkeit dieses Bemühens einzusehen beginnt und sich schließlich unter dem durch Schiller vermittelten Einfluss Kants zu akzeptieren genötigt sieht, die Urpflanze nicht als Erfahrung, sondern als Idee zu begreifen. [21]

Auch seine optischen Studien veranlassen Goethe, die Person als Medium der Naturerkenntnis transzendentalphilosophisch zu hinterfragen. Er schreibt an Schiller: „Bei Zusammenlegung meiner physikalischen Erfahrungen ist es mir schon, wie ich finde, von großem Nutzen, daß ich etwas mehr als sonst in den philosophischen Kampfplatz hinunter sehe.“ [22] Bereits in dem 1792 geschriebenen Aufsatz Der Versuch als Vermittler zwischen Subjekt und Objekt hatte er begonnen, das Medium der Personalität zu differenzieren. Die Person bleibt für ihn zwar konstitutiver Bestandteil der Naturerkenntnis, aber es ist nicht mehr die Person in ihrer Individualität, die als Medium fungiert, sondern eine exemplarische Person, die sich dadurch auszeichnet, dass sie bestimmte Versuchsreihen in geordneten Abfolgen durchführt. Diese Entfernung vom konkreten Individuum in Richtung einer transzendentalen Subjektivität, die von den Zufälligkeiten der lebensgeschichtlichen Situation bereinigt ist, war notwendig geworden, um den personalen Medienbegriff mit dem ganz anderen der Optik kompatibel zu machen. In der Auseinandersetzung mit Newton integriert Goethe den Begriff "Medium" als terminus technicus für lichtbrechende Körper in seinen Sprachgebrauch. So bezeichnet die Fachliteratur z.B. das von Goethe beargwöhnte, aber für seine Gegenbeweise eben doch benötigte Prisma als "diaphanes (doppelt durchscheinendes) Medium". Da aber für Goethe "der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient, […] der größte und genaueste physikalische Apparat [ist], den es geben kann" und folglich "die Experimente [nicht] vom Menschen abgesondert" werden dürfen, [23] schreibt er die Wirkungen des lichtbrechenden Mediums nicht ausschließlich der Objektseite zu. Für ihn ist das entscheidende Medium der Farbentstehung die "Trübe" – schon die Wortwahl macht deutlich, daß Goethe das lichtbrechende Mittel im menschlichen Lebenskontext aufsucht, anstatt es zugunsten "reiner" Objektivität davon zu abstrahieren. Die Trübe vermittelt zwischen den Polaritäten Licht und Finsternis und läßt die Farben entstehen. Doch sie tut es stets in Übereinstimmung mit den Gegebenheiten der menschlichen Sinneswahrnehmung. "Die Farbe", postuliert Goethe, "sei die gesetzmäßige Natur in bezug auf den Sinn des Auges." [24] Daher kann auch das Medium, das die Farben vermittelt, nur als eines begriffen werden, das vom wahrnehmenden Subjekt mitkonstituiert wird. Dieser subjektive Faktor ist zwar nicht mehr personal gedacht, aber auch nicht transzendental im Sinne der Kritik der reinen Vernunft, sondern dem der Kritik der Urteilskraft; er ist nicht bestimmend, sondern reflektierend. Entsprechend definiert Goethe das Urphänomen der Farbe:

"Wir sehen auf der einen Seite das Licht, das Helle, auf der andern die Finsternis, das Dunkle; wir bringen die Trübe zwischen beide, und aus diesen Gegensätzen, mit Hülfe gedachter Vermittlung, entwickeln sich [...] die Farben." [25]

Wie sich diese "gedachte Vermittlung" konkret äußert, können wir wiederum im Faust-Drama nachlesen, und zwar in der 1816 geschriebenen Szene Anmutige Gegend zu Beginn des Zweiten Teils.

Nach seinem Vergessensschlaf erwacht Faust in der Morgendämmerung. Sein Monolog erklärt die Bereitschaft, "Zum höchsten Dasein immerfort zu streben" (V. 4685). Der Erwachende blickt der aufgehenden Sonne entgegen, doch bald schon muß er sich von ihrem "Flammenübermaß" (V. 4708) abwenden. Er dreht der Sonne (Newtons weißem Licht, aus dem allein dieser die Farben hervorgehen ließ) den Rücken zu und kommt in eine mittlere Position zwischen der Polarität des Hellen und Dunklen, in der er den Sprühnebel eines Wasserfalls (die Trübe) erblickt; daraus ergibt sich das Farbenspiel eines Regenbogens, das ihm zum Sinnbild für die dem Menschen angemessene Form der Erkenntnis wird:

"Ihm sinne nach und du begreifst genauer:

Am farbigen Abglanz haben wir das Leben" (V. 4726 f.)

Wir haben es hier also mit jener Form von Medialität zu tun, die zugleich physikalisch als auch anthropologisch, als lebensweltlicher Zusammenhang von diaphanem Objekt und reflektierendem Subjekt, konzipiert wird. Beide Medienaspekte sind nicht voneinander abzulösen, da sie einen gemeinsamen höheren Bezugspunkt haben: das "Leben". In seinem Versuch einer Witterungslehre schreibt Goethe analog:

„Das Wahre, mit dem Göttlichen iden­tisch, läßt sich nie­mals von uns direkt erkennen, wir schauen es nur im Abglanz, im Beispiel, Symbol, in ein­zelnen und verwandten Erscheinungen; wir werden es gewahr als unbegreifliches Leben und können dem Wunsch nicht entsagen, es dennoch zu begreifen.“ [26]

Nun hat freilich aus physikalischer Sicht Goethe den Kampf gegen Newton verloren. Denn die moderne Physik ist in der Lage, das Phänomen der Farbe auch ohne die Vermittlung des Trüben zu erklären, allein durch eine Zerlegung des weißen Lichts in seine verschiedenen Wellenlängen, ganz unabhängig vom Subjekt. Die von Goethe unterstellte prästabilierte Harmonie zwischen physikalischen und anthropologischen Gesetzmäßigkeiten hat unwiderruflich einen Bruch erhalten – und das gilt nicht allein für die Optik (die auch für Goethe nur ein exemplarischer Kampfplatz für die Abwehr des dehumanisierten naturwissenschaftlichen Denkens war), sondern für das moderne wissenschaftliche Weltbild schlechthin.

An einem Beispiel aus der Optik aber hat Goethe in seinem Spätwerk auch diese Konsequenz noch bedacht. In den Wanderjahren wird just die Frage diskutiert, die sich aus unseren bisherigen Überlegungen ergibt, nämlich ob ein anthropologisch erweiterter Medienbegriff unter den Bedingungen der technischen Moderne noch Bestand haben kann, oder ob wir ihn einer rein objektivistischen Medientheorie opfern müssen, die das Subjekt ebenso wie die Newtonsche Physik ausklammert.

In dem berühmten Gespräch mit dem Astronomen über Fernrohre vertritt Wilhelm die Meinung:

"Ich habe im Leben überhaupt und im Durchschnitt gefunden, daß diese Mittel, wodurch wir unseren Sinnen zu Hülfe kommen, keine sittlich günstige Wirkung auf den Menschen ausüben. Wer durch Brillen sieht, hält sich für klüger, als er ist, denn sein äußerer Sinn wird dadurch mit seiner inneren Urteilsfähigkeit außer Gleichgewicht gesetzt." [27]

Man mag das – insbesondere wenn man Brillenträger ist, gegen die Goethe tatsächlich eine idiosynkratische Abneigung hatte – als schrulliges Festhalten an vortechnischen Verhältnissen abtun. Doch es steckt mehr hinter dieser Äußerung.  Das Brillenbeispiel steht für eine ganz grundsätzliche Problematik, die auf alle technisch-medialen Erweiterungen unserer Wahrnehmungsfähigkeit anwendbar ist: das Ungleichgewicht zwischen unseren prothetisierten Sinnen und unserer physiologisch bedingten Urteilskraft. Wenn etwa ein Fernrohr uns einen Planeten so nahe vors Auge rückt, dass wir diese Wahrnehmung in keine lebensweltliche Erfahrung integrieren können, verlieren wir ein Stück unserer innerweltlichen Orientierungsfähigkeit. Keine Gewohnheit kann diesen prinzipiellen Hiatus überwinden, und das verleiht der Aussage, die Goethe seinem Romanhelden in den Mund legt, ihre bis heute unverminderte Aktualität. Sie gilt nicht nur für Fernrohre und optische Geräte, sondern auch und erst recht für die modernen Bildschirmmedien: Fernstes wird durch Television und Datenübertragung irreal nahe an uns herangerückt. Das "globale  Dorf" verhilft uns zwar zu der Einbildung, klüger und informierter zu sein, aber in Wirklichkeit können wir aus rein physiologischen Kapazitätsgrenzen die Überpräsenz von Daten und Kommunikationspartnern nicht verarbeiten.

Goethe läßt in seinem Roman aus dieser Feststellung nun aber gerade nicht die Konsequenz ziehen, die viele Germanisten in seinem Namen verkünden: sich von den neuen audiovisuellen Medien fernzuhalten und die Literatur als Gegenmittel zu empfehlen. Wilhelm Meister nimmt diesbezüglich eine weniger regressive Position ein:

"Wir werden diese Gläser so wenig als irgendein Maschinenwesen aus der Welt bannen, aber dem Sittenbeobachter ist es wichtig, zu erforschen und zu wissen, woher sich manches in die Menschheit eingeschlichen hat, worüber man sich beklagt." [28]

Hier wird nicht der Illusion gehuldigt, dass wir uns der zunehmenden Technisierung der Medien entziehen könnten. Vielmehr empfiehlt uns Wilhelm, die Entwicklung selbst zum Untersuchungsgegenstand zu machen, um herauszufinden, was die technischen wie menschlichen Antriebe und Auswirkungen dieser Entwicklung sind.

Die Technisierung der Medien anzuerkennen bedeutet für Goethe also nicht, dass der anthropologisch erweiterte Medienbegriff fallen gelassen oder in Opposition zum Modernisierungsprozess gebracht werden müsste. Vielmehr gehört beides für ihn zusammen: Die technischen Medien, um aus ihrem Gebrauch über den Menschen zu lernen, und die anthropologischen Medien, um daraus über die technische Praxis zu lernen. So war er selbst, trotz seiner despektierlichen Bemerkungen über Brillenträger und Newtons optische Geräte,  ein eifriger Nutzer des siebenfüßigen Herschel-Teleskops, auf das in Wilhelms Gespräch problematisierend Bezug genommen wird. Er transportierte es zu seinem Gartenhaus, um von hier den Mond und die Planeten zu beobachten. Schließlich machte er sogar Reklame für das Gerät, um einen Käufer zu finden, und nachdem dieser Versuch wegen des hohen Preises erfolglos blieb, konnte das Fernrohr mit Goethes Hilfe 1813 an die neu gegründete Sternwarte in Jena gebracht werden.

Statt des vergeblichen Bemühens, die Apparate aus der Welt zu schaffen, empfiehlt Goethe, sich über die menschlichen Ursachen und Wirkungen ihres Gebrauchs klar zu werden. Sein "Sittenbeobachter" aus den Wanderjahren – den wir heute Medienkulturwissenschaftler nennen würden – predigt keinen Medienverzicht, sondern eine Erweiterung unseres Reflexionshorizonts. Wilhelm resümiert:

"Es gehört eine höhere Kultur dazu, deren nur vorzügliche Menschen fähig sind, ihr Inneres, Wahres mit diesem von außen herangerückten Falschen einigermaßen auszugleichen." [29]

Angesichts der zunehmend klaffenden Lücke zwischen inneren und äußeren Sinnen ist damit eine Aufgabe benannt, die auch der gegenwärtigen Medienkulturwissenschaft eine Richtschnur geben kann. Goethes Medienbegriff ist – um das eingangs zitierte Gadamer-Wort aufzugreifen – "nicht so leicht abzutun, wie man im ersten Augenblick glaubt". Er steht im Zentrum einer Medientheorie avant la lettre, die ihre Zukunft noch vor sich hat.

 



[1]   Gadamer, Hans Georg: Kultur und Medien. In: Honneth, Axel u.a. (Hg.): Zwischenbetrachtungen im Prozeß der Aufklärung; Frankfurt am Main 1989, S. 715.

[2]   Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800/1900, 2. Aufl. München 1987.

[3]   Uwe C. Steiner: Die Zeit der Schrift. Die Krise der Schrift und die Vergänglichkeit der Gleichnisse bei Hofmannsthal und Rilke, München 1996, S. 90.

[4]   Vgl. Hoffmann, Stefan: Geschichte des Medienbegriffs, Hamburg 2002, S. 27.

[5]   Vgl. Böhme, Hartmut: "Geheime Macht im Schoß der Erde". Das Symbolfeld des Bergbaus zwischen Sozialgeschichte und Psychohistorie, in: ders.: Natur und Subjekt, Frankfurt am Main 1988, S. 93.

[6]   Vgl. Fludd, Robert: Utriusque Cosmi ... ,  Oppenhemij Impensis Iohannis Theodory de Bry 1619.

[7]   Vgl. Herder, Johann Gottfried: Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1770),  Stuttgart 1985, S. 33 f.

[8]   Vgl. Bessons Theatrvm Instrvmentorvm et Machinarvm (1578), Johann Heinrich Alsteds Theatrum Scholasticum (1610) oder Braitenbergs Bibliotheca Sive Theatrum concionum (1625) – die Formulierung "Bibliotheca sive Theatrum" stellt bereits klar, dass "Theatrum" hier nur ein anderer Ausdruck für Archiv ist.

[9]   Diese Bedeutung ist mit weithin bekannten Festspielpraktiken verknüpft. Mit "Theatrum" ist hier tatsächlich ein "Schauspiel" im Sinne eines Bühnengeschehens gemeint, auf dem das menschliche Leben zur Darstellung kommt. Dazu gehören z.B.: Theodor Zwingers Theatrum Vitae Humanae (1565), Das Theatrum amoris. Oder Schauplatz der Liebe von Achilles Statius (1644) oder Das Theatrum Malorum Mulierum (1700).

[10] Vgl. hierzu mein SFB-Projekt Computer als Gedächtnistheater und meine unter http://www.sfb-performativ.de/seiten/b7_vorstudien.html aufgeführten Artikel zum Thema.

[11] Utriusque Cosmi ..., Bd. 2, S. 55.

[12]    Witkowski verweist auf Sweden­borg, um verständlich zu ma­chen, dass der Erdgeist in einer Flamme erscheint und eine Sphäre hat, die von Menschen angesaugt wer­den kann. Vgl. Morris, Max: Swedenborg im Faust. In: ders.: Goethe–Studien, Bd. 1, S. 13 ff. u. Witkowski, Georg: Anmerkungen des Herausgebers zu Goethes Faust, 2 Bde. 10. Aufl. Leiden 1950. Trunz macht Reminis­zenzen an Paracelsus’ „Archeus terrae“ und Giordano Brunos „Anima terrae“ geltend. Vgl. Trunz, Erich: Anmerkungen des Herausgebers zu Goethes ‘Faust‘, in: HA III, S. 498. Grumach bezieht die Tatsache, dass der Erdgeist „eratmet“ wird (vgl. V. 134), auf den Luft­geist Georg von Wellings. Vgl. Grumach, Ernst: Zur Erdgeistszene, in: Keller, Werner (Hg.): Aufsätze zu Goethes ‚Faust I‘, Darmstadt 1974, 3., bibliograph. erneuerte Aufl. 1991, S. 310–326. (Goethe selbst hat im 8. Buch v. Dichtung und Wahrheit den Erdgeist mit Wel­ling in Verbindung gebracht.) Wachsmuth sieht Parallelen zu Johann Conrad Dip­pel. Vgl. Wachsmuth, Andreas Bruno: Geeinte Zwienatur. Aufsätze zu Goethes naturwissenschaftlichem Denken, Berlin/Weimar 1966, S. 36 ff.  u. Gaier zu Agrippa. Vgl.a. Gaier, Ulrich: Goethes Faust–Dichtungen. Ein Kommentar. Band 1: Urfaust, Stuttgart 1989, S. 315 ff., wie lange vor ihm schon Reichl, Anton: Goethes Faust und Agrippa von Nettesheim, Euphorion IV, S. 287 ff.

[13] Dass sie, einer vagen Briefandeutung Goethes zufolge, in Italien entstand, ist schon von Traumann, Ernst: Wald und Höhle. Eine Faust–Studie, Heidelberg 1902 mit Argumenten bezweifelt worden, die bisher unwiderlegt sind.

[14] Dies berichtet J.G. Zimmermann in seinem Brief vom 22.10.1775 an Ch. v. Stein. HA Briefe 1, S. 625.

[15] WA IV, 10, S. 165.

[16] WA IV, 19, S. 114.

[17] HA XIII, S. 149.

[18] Ebd., S. 154.

[19] Schmitz, Hermann: Hase und Igel. Vom Pech des unbescheidenen Analytikers, in:Adamowsky, Natascha/Matussek, Peter (Hg.): Auslassungen. Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft, Würzburg 2004, S. S. 62.

[20] HA Briefe, Bd. 1, S. 325.

[21] Vgl. Goethe, Johann Wolfgang: Glückliches Ereignis. In: HA X, S. 538–542.

[22] HA Briefe, Bd. 2, S. 206; Brief v. 25.11.1795.

[23] HA XII, Nr. 664.

[24] HA XIII, S. 324. Hv. PM.

[25] HA XIII, S. 368.

[26] HA XIV, S. 305.

[27] HA VIII, S. 120.

[28] HA VIII, S. 121.

[29] HA VIII, S. 120 f.